Einmarsch mit Westernmusik vom Akkordeon und rhythmischem Klatschen: Saskia Kästner als Schwester Cordula, fesch kostümiert mit Western – Dirndl, und Dirk Rave stellen sich vor als Vertreter des Seelsorge e.V. „Heile Welt fürs kranke Gemüt“. Wobei die heile Welt ausschließlich in Groschenromanen zu finden ist: Arztromane sind blau, Fürstenromane golden und Westernromane gelb. Diese enthalten kurze Sätze und viele Wiederholungen, da sie – so erklärt es Cordula – mehrheitlich von Männern gelesen werden.
Im ersten Teil des Programms wird aus dem Heftchen „Liebe, Lasso, Leidenschaft“ gelesen und zunächst gemeinsam mit dem Publikum das Klischeebild eines Cowboys entworfen, bei dem aus jeder Pore Männlichkeit dünstet: Groß muss er sein, stechend blaue Augen und unbedingt ein Grübchen sollte er haben.
So liest und singt sich Schwester Cordula durch die mit Hindernissen gespickte Liebesgeschichte zwischen Joe und Mary. Ihre grandiose Stimme ist wandelbar, von Countrysong bis Opernarie kann sie alles intonieren. Ebenso überschäumend ist ihr Spiel, bei dem sie mühelos das Publikum animiert, Laute des Bedauerns, des Begehrens, der Bewunderung sowie viele Ahs! und Ohs! auszustoßen. Leider ist die Akustik in der Alten Handelsbörse schlecht und in den hinteren Reihen ahnt man oft nur, was vorn auf der Spielfläche vor sich geht; leider bleibt so auch der Spagat Cordulas vielen Zuschauern verborgen.
Der ohne konkrete Erwartungshaltung gekommene Gast staunt, wie man aus Trivialem ansprechende Kleinkunst machen kann.
Der Teil nach der Pause, in dem aus dem Heftchen „Rodeo der Gefühle“ gelesen wird, fällt merklich ab. Die Vollblutkomödiantin drückt zwar immer noch aufs Gas, indem sie Reitpositionen auf einem Stuhl demonstriert und bekannte Melodien (von „YMCA“ über die „Internationale“ bis zu „Bella ciao“) mit Wildwestromantik – Texten unterlegt in den Saal schmettert. Ihr Sidekick Dirk bleibt weiterhin blass, fungiert nur als Stichwortgeber oder gelenkter Dialogpartner, spielt aber ausgezeichnet Akkordeon.
Irgendwie zündet dieser Teil nicht so richtig; er hat Längen, einiges aus dem ersten Teil wiederholt sich und das Publikum weiß nicht so recht, wie es im Sitzen eine Stampede darstellen soll.
Dennoch: Der Abend endet mit einem gesungenen „Halleluja“ und reichlich Applaus, bei dem sogar zwei Bravi zu hören sind.
(Jury-Mitglied Gesine Kloppe)



