Der Abend beginnt mit einer kleinen Enttäuschung – und zugleich mit einem Lächeln. Auf die Bühne tritt nicht, wie im Programmheft verheißen, der knackige junge Held mit imposantem Sixpack, sondern ein großgewachsener Mann in den besten Jahren. Diese Irreführung nutzt Florian Hacke als perfekten Auftakt für einen ebenso klugen wie witzigen Abend über die Frage, wie viel Authentizität und Ehrlichkeit wir überhaupt ertragen können.
Mit geschliffener Sprache und sichtbarer Spielfreude entfaltet Hacke ein Panoptikum alltäglicher Selbsttäuschungen. Die berühmte Kirsche von Mon Chérie stammt aus Mösbach und nicht aus dem Piemont. Mösbach, das klingt eben weniger verführerisch. Und so verhält es sich auch im Privaten: Als dreifacher Vater kennt Hacke das Dilemma von 999 missratenen Urlaubsfotos und jenem einen perfekten Bild, das dann stolz in der WhatsApp-Gruppe geteilt wird.
Doch Hacke bleibt nicht im Privaten stehen. Mit hohem moralischem Anspruch, präzisem Blick und scharfer Zunge weitet er die Perspektive auf die großen Themen unserer Zeit – Klimakrise, Migration und gesellschaftliche Spaltung, den Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit. Da verweigern Außerirdische der Menschheit die Flucht in ihr Raumschiff: zu teuer, zu viele Passagiere, und niemand, der schlechtbezahlt im Pflegeheim für Aliens schuften will. Die Grenzen im Weltall sind geschlossen. Der Wunsch des Kabarettisten, die Welt möge gut sein, tritt hier deutlich zutage.
Böse wird es, wenn Hacke unter dem Motto „Die Reichen essen“ Reiche und Politiker ins Visier nimmt. In einem grotesken Exzess werden Milliardäre wie Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Elon Musk geschlachtet und zu Delikatessen verarbeitet – eine beißende Karikatur, die zwischen schwarzem Humor und beklemmender Provokation oszilliert. Doch hinter dem makabren Schauspiel verbirgt sich ein scharfer Witz, der zwar Lachen provoziert, das Publikum dabei aber unweigerlich auch zum Nachdenken zwingt.
Florian Hacke gelingt mit seinem Programm „Authentischkeit“ die seltene Verbindung von witziger Comedy und ernstzunehmendem Kabarett. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Ehrlichkeit mag manchmal unangenehm sein, doch genau das macht sie so wichtig.
(Jury-Mitglied Martin Lutz)



