Presse / Lachmesse-Jury

Abschluss der 33. Lachmesse in Leipzig

Lachen, und das aus gutem Grund

Zum Abschluss der Lachmesse haben gestern die Liebhaber der Kleinkunst zur Matinee und den beiden Gala-Vorstellungen mit viel Applaus ihre Stars noch einmal hochleben lassen. Allen voran Luise Kinseher und Simone Solga, Alfred Dorfer, Pigor und Eichhorn wie auch Jörg Knör. Ebenso das Moderatoren-Duo Geißler / Tretter bei der Matinee und die Moderatorin Lisa Eckhart bei der Gala. Die letzten acht Tage standen ganz im Geiste des Diskurses zum Zeitgeschehen. Tutty Tran, Zärtlichkeiten mit Freunden wie auch die Schwarze Grütze, Tom Pauls und Simone Solga hatten ausverkaufte Vorstellungen.

Allerdings gab es auch Veranstaltungen mit großer Kunst, denen man mehr Publikum gewünscht hätte, wie BlöZinger, Marco Tschirpke oder Martin Zingsheim und schließlich auch Veranstaltungen, die wegen Krankheit oder zu geringem Zuschauerinteresse abgesagt werden mussten. Und so fällt in diesem Jahr das Fazit mit mehr als 10.000 Besuchern nicht schlecht, aber auch nicht so sehr gut aus. Das sind die allgemein zu beobachtenden Nachwirkungen der Pandemie. Inzwischen sind die Arbeiten an der 34. Lachmesse schon angelaufen. Stattfinden wird sie 2024 vom 20. bis zum 27. Oktober, und dann geht es wieder ums Lachen, und das, wie gewohnt, aus gutem Grund.

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Simone Solgas „Ist doch wahr“ (Pfeffermühle am 22.10.2023)

Ich bin froh, einen Platz in der Selbsthilfegruppe „Ich will weg aus Deutschland“ bekommen zu haben. Die Pfeffermühle war ausverkauft. Und das aus gutem Grund: Das Programm „Ist doch wahr“ von Simone Solga ist politisches Kabarett vom Feinsten. Schlag auf Schlag kommen die Pointen. Da kommt keiner gut weg, weder die Ampelregierung noch die Opposition. Es ist nicht nur der Apfel der Erkenntnis, sondern eine ganze Apfelplantage. Simone Solga scheut sich nicht, den Finger auf die offenen Wunden unserer Zeit zu legen.

Unter anderem stellt sie fest: „Wir reden nicht mehr über Probleme, sondern darüber wie man über Probleme reden sollte.“ Simone Solga scheut Minenfelder wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die katholische Kirche, die Legalisierung von Cannabis, die deutsche Bahn und die Bundeswehr, das Finanzamt, die Bildung sowie Flüchtlinge nicht und löst ununterbrochen Minen bzw. Lachsalven aus. Ein fantastisches Programm, das man gesehen haben muss. Aber nehmen Sie genügend Taschentücher mit, ich habe Tränen gelacht! (AG)

über „Du bist nicht allein“ mit der Losen Skiffle Gemeinschaft (Central Kabarett am 22.10.2023)

In zwei Jahren werden sie fünfzig, aber so richtig gealtert sind weder sie noch ihre Musik. Zugegeben, der Rezensent saß weit weg, also sehen 3, aber hören 5 (auf einer Skala von 1 = schlecht bis 5 = sehr gut), aber da mich diese Truppe seit meinem Start 1975 in Leipzig begleitet, fühlte ich mich in diesem Moment genauso jung wie die Männer da vorn. Und das Paket stimmt immer noch:

  • die Moderation von Gerald Biehl, immer überraschend, immer etwas skurril, und immer die Frage offen lassend, welches Lied nun wirklich kommt, das erfährt man erst im letzten Satz
  • die Musik mit einer Bandbreite an Instrumenten von Gitarren über die Bläser bis zum Waschbrett, nicht zu vergessen das Akkordeon und die Rhythmusrasseln
  • der Gesang, hauptsächlich getragen von Hansa, Apollo und Jürgen, aber grandios unterstützt von den anderen Bandmitgliedern

Gestartet wird mit dem Bossa Nova und der Information, dass die Band nunmehr Kongressbespielungen macht, beispielsweise für den Kongress über Atomkraft und über Roswitha, die Letzte im AKW Rheinsberg („Du bist nicht allein“). Für die Forensiker gibt es die „Capri-Fischer“, warum wird im Refrain deutlich: Bella bella bella Marie … Neu ist das Lied für das Connewitzer Kreuz, eine gelungene Mischung aus dem Säbeltanz von Chatschaturjan und „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ von Theo Mackeben, erstmals interpretiert von Gustav Gründgens 1938. Erinnerungen an die Patenbrigade in der GISAG gipfeln natürlich in „Gise- Gise-, Gisela –la –la“ und ebenfalls nicht fehlen darf Vickys „Ich liebe das Leben“. Und Hansa kann’s noch – den letzten Ton gefühlte drei Minuten aushalten (okay, es war etwas weniger, aber nicht viel). Der Dank an die Damen im Grundstücksamt Borna gipfelt in: „Borna sera, Signorina“.

Großartig behandelt die LSG in meinen Augen das Flüchtlingsproblem. Erst wird sehr lustig beschrieben, wie die Flüchtlinge aus dem Wyhratal, die nach Leipzig wollen, nachts mit Schlauchbooten über den Cossi kommen und mit warmen Decken empfangen werden. Dann folgt unmittelbar das Lied „Irgendwo auf der Welt“ von Heymann, bekannt durch die Comedian Harmonists und angesichts der Tragödien auf der Welt wird man auf einmal sehr nachdenklich. Weitere Lieder (eine Auswahl, beileibe nicht alle): Markkleeberger See und jenes über das Nexö-Heim („Just a Gigolo“ mit der Textzeile „Life goes on without me …“). Ein Abend voller Rhythmus und Erinnerungen, emotional und verrückt, liebenswert und mitreißend. Das Wohlfühlpaket endet mit zwei Zugaben („Es weht ein Wind“ und „Gelber Mond“) nach netto über zwei Stunden. Sie bringen’s halt noch! (Matthias Schwarzmüller)

über Trio ExperTeases „Bett im Kornfeld“ (Blauer Salon am 22.10.2023)

Beim Comedy-Brunch am Sonntagmorgen präsentiert das Trio ExperTease, bestehend aus Simone de Boudoir, Mitzi von Sacher und Bert Callenbach, eine Frühstücks-Hitparade, die mitreißt und sehr unterhaltsam ist. Die Songs werden überwiegend von den Darstellern original gesungen. Simone de Boudoir wächst als Marianne Rosenberg an „Marleen“ und parodiert das Ganze mit einer Taschentuchbox und einer Pistole. Lassen Sie sich überraschen! Stimmlich hervorragend gibt Bert Callenbach als Carmen oder missgelaunter Polizist sein Bestes. Der Song „Nathalie“ von Gilbert Bécaud wird textlich verändert und die Handlung in die Leipziger Neustadt verlegt. Beim Song „Atemlos“ glaubt man, dass Helene Fischer auf der Bühne erschienen ist, super parodiert von Mitzi von Sacher.

Die tollen Kostüme unterstützen die Darsteller und passen auch gut zu den parodierten Sängern, wie z.B. langes Blümchenkleid bei Nana Mouskouri, aber Lederhosen bei Jürgen Drews, Herr Callenbach? Natürlich bringen die beiden Damen, sie sind auch Mitglieder der Burlesque-Truppe Lipsi Lillies, eine entsprechende Einlage, wobei Mitzi von Sacher bei ihrer Nummer sehr witzig eine sich aus ihren vielen Hüllen pellende Matroschka darstellt. Da es ein Brunch war, möchte ich hier auch die tolle Qualität des Buffets und den herausragenden Service erwähnen. (AG)

über Pölitz & Müllers „An Mut sparet nicht noch Mühe“ (Pfeffermühle am 22.10.2023)

Viele hätten sehr viel Freude an diesem Programm gehabt, Brecht, Goethe, KuBa, deren Werke sich in bearbeiteter Form wiederfinden und sicher auch Friedrich II., Karl Lagerfeld, wenn sie denn noch unter uns wären. Und doch sind sie präsent wie auch Udo Lindenberg oder André Rieu. Ein Programm, das sich politisch-satirisch mit der Gesellschaft und dem Individuum auseinandersetzt, nicht nur die Schuld bei „denen da oben“ sucht, sondern auch die Verantwortung des Einzelnen betont.

Dabei wird es nie didaktisch, sondern stellt die brennenden Fragen in spielerischen Formen und lässt uns allen bekannte Persönlichkeiten das Wort ergreifen. Udo Lindenberg besingt unsere deutsche Andrea Doria, dann streiten Pölitz und Fridericus Rex über Demokratie und die Verantwortung des Regierenden als vom Volk Bestellter, um die Interessen des Volkes zu realisieren. Dabei lassen die Originalzitate und Beschreibungen der Regierungsbeschlüsse Friedrichs schon mal den Gedanken aufkommen, ob nicht eine Monarchie auch eine Lösung wäre. Zumal, wie es später im Programm heißt: „In der Demokratie geht’s nur um Quantität, nicht Qualität.“ Die Migrationspolitik wird genauso verhandelt wie Streubomben und die Außenpolitik(erin). „Bei den Aussagen von Annalena B. hat man oft den Eindruck, sie war die Letzte in der Reihe bei Stille Post.“ Der Dialog wird dargeboten in bester Goethe’scher Manier anhand des Monologs Fausts „Habe nun ach …“. Wer seinen Faust nicht kennt, hat nur das halbe Vergnügen am neuen Text.

Leider kann ich hier nicht in Ausführlichkeit berichten, ich bin schon drüber über die angepeilte Zeilenzahl. Deshalb nur kurz erwähnt: Müller als Rieu mit Geige, der über das Orchester Europa singt: Nulpen mit viel Tamtam (ob er geigt, müssen Sie selbst herausfinden), Pölitz als ausgebrannter Lehrer, der als einziger Verbliebener nur noch Vertretungsstunden macht und nur bei Telefonaten mit Eltern aus sich herausgeht („Hast Du das kapiert, Du Trollo!“) Das geht, entlassen wird ihn keiner. Und nochmal Müller als Udo L. „Der Merz kann das nicht repariern“. Viel Lyrik im neuen Gewand, auch der abgewandelte KuBa „Klagen wird man über unsre Tage“ und die Neuinterpretation von Gründgens „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“, wobei hier Nacht durch Macht ersetzt wurde. Und natürlich Variationen zu Brechts Kinderhymne, die im Original eine gute Hymne des vereinten Deutschlands gewesen wäre (statt der seit 1922 genutzten Melodie (Du darfst nur die dritte Strophe singen! – der Rezensent). Ein Programm, das frisch und abwechslungsreich dargeboten wird (der erste Teil dauerte 75 Minuten, war aber nie langweilig) und mich mit dem Gefühl entließ, dass man sich doch mehr engagieren müsste! (Matthias Schwarzmüller)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über BlöZingers „Zeit“ (academixer am 21.10.2023)

Die beiden österreichischen Kabarettisten bringen in ihrem Programm „Zeit“ ihre darstellerische Vielfalt auf die Bühne. Mit einem Minimum an Requisiten, aber ganz viel Mimik überzeugen sie die Zuschauer beispielsweise von einem Herzinfarkt im Kaffeehaus (Roland Penzinger) und dass der verkostete Wein wirklich sauer ist (Robert Blöchl). Der schnelle Wechsel zwischen den einzelnen Szenen und verschiedenen Zeitebenen verwirrt am Anfang, wird aber darstellerisch von den Beiden super gemeistert. Vielleicht zu gut, man braucht als Zuschauer einen Moment, um sich in die neue Szene einzufinden.

Zum Schreien komisch ist die Nummer mit Pezi und Großvater, bei der Blöchl und Penzinger Handpuppen der Bärenfamilie Petz darstellen, ein Puppentheater, das im ORF lief. Pezi skypt mit seinem Großvater und erzählt dabei von seinem Schwarm Jessica. Oder war es Julia? Der Großvater ist schon leicht tüdelig und verwendet bei seinen Antworten ständig andere Namen, die mit „J“ beginnen! Nebenbei sinniert er, wie er mit seinen Tatzen eigentlich den Computer bedienen soll. Stark ist auch die Pantomime des Fluges zum Mond und die Mondlandung, um zu rauchen, da überall im Theater Rauchverbot herrscht. Beim Stimmen der fiktiven Gitarre wird die ohnehin sehr ausdrucksstarke Mimik auch noch mit den passenden Geräuschen untermalt. Charmant an dem Duo ist die ungekünstelte Selbstironie. (AG)

über Jörg Knörs „Old School – aber geil“ (Sanftwut am 21.10.2023)

Jörg Knör, ein Name wie ein knarrender alter Baum. Und er ist tatsächlich schon 64 Jahre alt, wie er mehrmals betont. Aber seine Stimme ist jünger und vielfältiger. Immerhin lässt er sie neben seiner eigenen noch in 33 Variationen erklingen, gesprochen oder gesungen. Am verzichtbarsten dabei die Stimme von Adolf Hitler, die zu Anfang des Programms erstmal stellvertretend für alle Österreicher erklingt, aber keine wie auch immer geartete dramaturgische Funktion hat. Immerhin finden das einige im Publikum lustig. Alle 33 Imitationen kann ich hier nicht aufzählen, aber ein paar sollen stellvertretend genannt werden: Otto mit einem Song gegen die Klimakleber, Karl Lagerfeld, der das Intro bestreitet, Rammstein, Peter Alexander (die Ehrenrettung für die Österreicher), Helmut Schmidt, Julio Iglesias und Inge Meysel, der bald ein ganzes Programm gewidmet werden wird. Auch bei Tom Jones und Sammy Davis jr. war Knör nahe am Original. Es wird immer behauptet, dass man die Person lieben muss, die man imitiert. Immerhin eine Ausnahme wird sehr deutlich: Desiree Nick. Die wird ziemlich böse und mit Vehemenz in Grund und Boden imitiert.

Das Programm ist in der Anlage ziemlich unentschieden, persönliche Begegnungen oder Vorlieben fungieren als Anmoderation der nächsten Figur, die auf die Bühne gestellt wird, dazwischen aber auch immer mal ein ganz privater Jörg Knör mit Beiträgen, die mit dem Programm wenig zu tun haben. Einige Scherze sind so weit unter der Gürtellinie, dass sie dem Erdmittelpunkt näher sind als dem Kopf, aber diese finden auch ihr Publikum. Neben Sprechen und Singen kann Knör richtig gut Blockflöte und Saxophon spielen und toll zeichnen. Am Flipchart entsteht in Windeseile ein Porträt von Rudi Carrell und am Schluss holt er noch einen Fan auf die Bühne, der zwei Stunden vor dem Theater gewartet hat, um ein Autogramm zu ergattern. Diesen Fan hat Knör nicht nur zur Vorstellung eingeladen, sondern ihn am Schluss auf die Bühne gebeten, um ihn zu porträtieren und ihm diese Zeichnung zu schenken. Ein versöhnlicher Abschluss eines mich nicht immer überzeugenden Programms. (Matthias Schwarzmüller)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Maximilian Reegs „Satirischen Absacker“ (academixer am 18., 19. und 20.10.2023)

Ein neues Format im Spielplan der Lachmesse, angeboten an drei Tagen zu später Stunde (23.30 Uhr) im Keller der academixer. Der späte Anfang ist dem geschuldet, dass die an den Stammtisch gebetenen Interpreten ja zuvor mit ihren Programmen auf der Bühne stehen und kaum vor 22 Uhr fertig werden. Die Länge des Absackers ist mit 20 Minuten doch recht knapp bemessen. Besonders wenn zum Auftakt sechs Personen plus Moderator am Tisch sitzen. Da bleibt wenig Zeit für die Einzelgespräche.

Nachts darauf mit zwei Ensembles und vier Personen war es schon stringenter und informativer und auch der Spaß kam nicht zu kurz. Freitag nun waren es für den Moderator nur noch zwei Personen, das bot Raum für intensivere Gespräche und einen zauberhaften Abschluss. Schön auch, dass am Freitag auch Publikum anwesend war, die vorherigen Tage waren in der Publikumsresonanz doch sehr überschaubar, was sicher auch an der Ausschlafmöglichkeit am nächsten Tag gelegen haben mag.

Alles in allem eine schöne neue Farbe im Programm, die vielleicht intensiver beworben werden sollte. Sehr positiv anzumerken ist, dass diese Gesprächsrunden schon kurz danach in Facebook und Youtube abrufbar sind und damit doch einen größeren Zuschauerkreis erreichen. Aus meiner Sicht sollte es den Absacker auch im nächsten Jahr wieder geben. (Matthias Schwarzmüller)

Leipziger Lachmesse 2023

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Luise Kinsehers „Wände streichen, Segel setzen“ (academixer am 20.10.2023)

Luise Kinseher spielt mit ihrem Publikum, sie singt und lacht mit ihm. Das kann die Kabarettistin und Volksschauspielerin, die vor vier Jahren schon einmal – damals noch als Mama Bavaria – die Bühne des academixer-Kellers souverän bespielte. Diesmal beginnt ihre Geschichte in ihrer Münchner Wohnung. Die Immobilienfirma Hai will diese gewinnbringend veräußern. Aber da ist dieses inzwischen von allerlei seltenen Pflanzen und Tieren besiedelte Loch im Parkett, das die Mieterin verantworten und reparieren soll. Handwerker sind nicht zu kriegen, auch die Verbindung mit Hausmeister Simon bringt nur mehr Probleme.

Und so sucht Luise Kinseher nach Lösungen – im Kleinen wie im Großen. Schließlich braucht sie ja wie die meisten Boden unter den Füßen. Helfen moderne Technik und KI? Aber was wird aus den Männern, wenn der Porsche sie nicht mehr braucht? Führen die magischen Pilze, die in ihrer Wohnung gewachsen sind, zum Verständnis der Welt? Und nimmt es Ängste, wenn im bayerischen Wappen der Löwe durch eine Kuh ersetzt wird? Es kommt auf den Einsatz des ganzen Verstandes an. Dafür plädiert Luise Kinseher, die wie gewohnt alle ihre Figuren großartig in Szene setzt und so das Publikum einmal mehr begeistert. Am meisten, wenn sie singt – diesmal sogar mit ihrem Partner Simon. Kinseher kann’s eben. (PS)

über „Slam vs. Kabarett“ (Kupfersaal am 20.10.2023)

1) Die Veranstaltungsidee ist top! Slam und Kabarett sind gute Bühnenkunstformen, wenn sie wirken, da das Publikum direkt angesprochen wird und in der Regel unisono reagiert, am Zahn der Zeit eben gepackt. Dieses Jahr war das Lachmesse-Spezial ein bisschen „brav“. Laura Liebeskind ist schön und singt professionell, kann jedoch nicht gut moderieren, jedenfalls nicht spannend. Wenn ich in den nächsten Wochen außerdem noch einmal „Schnick, Schnack, Schnuck“ hören muss, werde ich laut schreien (ihr Wahlmedium mit dem Publikum zum Anfängerstatus der Interpreten).

Zuerst brachte uns Anna Lisa ihre Slam-Performance dar. Gar nicht schlecht: gute Bühnenpräsenz, selbstbewusst, gute Texte. Verbesserungswürdig: klarer intonieren, trotz Slamtechnik langsamer sprechen bzw. mehr Pausen zwischen den Wörtern, Wortgruppen, Sätzen machen. Es handelt sich hier meist um Sekunden – dann wird es bald klappen mit den Preisen. Sie schied in der ersten Runde aus. Johannes Kirchberg (gutes Liedkabarett), Armin Sengbusch (ein bisschen zu viel düsterer Reim) und Micha Ebeling (Gewinner für Kategorie Slam) stellten sich hernach noch dem Urteil. Respekt vor den Bühnenkünstlern! Das Publikum empfand man als positiv, jedoch zurückhaltend. Schade um diesen Saalabend, der langweilig daher kam, obwohl das Programmformat anderes versprechen kann. (AK)

2) Um es vorwegzunehmen, mein Abend war es nicht. Es ist kaum möglich, die Grenzen zwischen Poetry Slam und Kabarett zu finden. Der durch den breiten Raum, der Moderation und Gesang von Laura Liebeskind eingeräumt wurde, entstandene Programm-Mischmasch trug schon gar nicht dazu bei. Wer waren eigentlich die Protagonisten des Abends – die zu recht mit viel Beifall von Publikum bedachten Akteure Johannes Kirchberg, Anna Lisa Azur, Armin Sengbusch und Micha Ebeling oder die sehr von sich überzeugte Moderatorin und Sängerin Laura Liebeskind?

Im nächsten Jahr sollte diese beliebte Veranstaltung der Lachmesse durch ein klares Konzept zugunsten des Wettbewerbs wieder auf das Niveau zurückgeführt werden, das sie beim Publikum so beliebt macht. Dieser dramaturgische Mangel minderte aber nicht die Leistungen der vier Hauptakteure, die gar nicht so weit auseinander lagen? Gleichwohl war Micha Ebeling der verdiente Sieger, sein Preis eine Flasche edlen Gins. Nicht unerwähnt bleiben darf der zurückhaltend, aber einfühlsam agierende, mir leider namentlich nicht bekannte Cellist des Abends. (U.G.)

über Matthias Machwerks „Glücklich oder schon verheiratet?“ (Sanftwut am 20.10.2023)

Matthias Machwerk, gebürtiger 68er Ostdeutscher, ist in seinem Programm dem Glück auf der Spur. Was macht es aus, woran erkennt man es, wie hält man es? Und warum haben es meistens die anderen? Auf humorvolle Weise nimmt er die unterschiedlichen Interessen und Charaktere von Mann und Frau aufs Korn. . Es geht um Sex, Kinder und deren Erziehung und die Macken des Alltags. Nachdenklich sollte man(n) werden, wenn Männer nach dem Tod der Frau dieser meist bald folgen, während umgekehrt die Frauen neu aufblühen. Aber es geht nicht nur um die Beziehungen zwischen Mann und Frau.

Der Bogen spannt sich auch um gesellschaftliche Themen, um aktuelle Missstände und negative Entwicklungen, welche Machwerk messerscharf seziert und analysiert. Da geht es um die allgegenwärtige und überbordende Verbotskultur und politische Humorlosigkeit (political correctness), um das Glücksempfinden der Deutschen (Miesepeter) und um zu hohe Mieten. Es geht um (Fehl-) Entwicklungen einer (weichgespülten) Gesellschaft, wo Klimaschutz ganz groß geschrieben wird, aber reale Natur wie Wald und Wiese im Leben mancher Generation keine Rolle mehr spielt, um Klimakleber, Gendern und grüne Politik. Dabei schöpft er auch auf sarkastische Weise aus den Erfahrungen seiner ostdeutschen Kindheit – sei es, dass es um regionale Lebensmittel, Altpapiersammeln oder Kartoffelnstoppeln geht.

Diese „unbeabsichtigte“ Nachhaltigkeit weckte auch bei dem überwiegend älteren Publikum so manche Erinnerung. Letzten Endes geht es um ein positives Lebensgefühl, um Humor, Freude über die kleinen Dinge des Lebens, die uns mittlerweile selbstverständlich sind und mehr Gelassenheit im Leben. Täglich drei Minuten Lachen sparen 15 Minuten Joggen. Und vielleicht findet nach diesem Abend der eine oder andere doch noch sein ganz persönliches Glück. Untersetzt mit musikalischen Einlagen – sogar mit Anleihen an Rammstein – regt Machwerk zum Nachdenken an und hat den Nerv des Publikums offenbar getroffen. Auch wenn Applaus nicht des Künstlers alleiniger Lohn sind – der frenetische Jubel endete zur Freude aller in drei Zugaben. (T.E.)

über Meigl Hoffmanns „Geölten Witz – Am Rahmen der Mona Lisa“ (Pfeffermühle am 20.10.2023)

Ausnahmsweise möchte ich mit einem Zitat beginnen. Die LVZ schrieb zur Premiere des Programms: „‘Geölter Witz‘ ist ein wohltuend anstrengendes, furioses und amüsantes Stück Satire – bestens austariert, nie langweilig, nie ausufernd. Spitzenkabarett auf Top-Niveau.“ Damit wäre alles gesagt. Aber darüber zu lesen, ist das eine, man muss es erlebt haben. Ein Programm, das in der Person des Museumswärters Manfred Subbotnik Quantenphysik, Chaostheorie, Gesellschaftsphilosophie und Kunstbetrachtung zu einem Gesamterlebnis macht und dabei von einem Tripendulum unterstützt wird.

Wenn Sie nicht wissen, was ein Tripendulum ist und wie Hoffmann dazu gekommen ist, es aber gern wissen möchten, dann gehen Sie ins Programm. Sie treffen dort nicht nur den Herrn Subbotnik, sondern auch Udo Lindenberg und einen Wiener Einbrecher, der im Museum die Mona Lisa klaut und seine Beweggründe im besten „Weener“ Dialekt erklärt. Großartig auch, wenn Meigl Hoffmann anhand eines Tetrapacks Milch und den darauf zu findenden Hinweisen zeigt, wie die Bürger vermeintlich verarscht werden und sich dieses Gefühl dann in öffentliche Wut entäußert: „Ultrahocherhitzt – von wegen! Fassen Sie mal an – die ist kalt!!“

Nochmal zur Mona Lisa. Schon Tucholsky fragte sich: „Ja … warum lacht die Mona Lisa? Lacht sie über uns, wegen uns, trotz uns, mit uns, gegen uns – oder wie –?“ Meigl Hoffmann hat die Antwort, aber die verrate ich hier nicht! (Matthias Schwarzmüller)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Marco Tschirpkes „Dichten, bis ich Dresche kriege“ (Blauer Salon am 19.10.2023)

Welcher Teufel hat mich geritten, mich um die Veranstaltung mit Marco Tschirpke am 19.10. im Blauen Salon im Central Kabarett zu bewerben, wohl wissend, dass ich dann auch darüber schreiben muss. Der „Teufel“ ist leicht ausgemacht, nämlich Marco Tschirpke selbst. Dabei ist er mir ein Begriff, ich hatte sogar schon ein kleines Gespräch mit ihm, und er ist auch in meinem Bücherregal mit origineller (Was für einer sonst bei Tschirpke!) Widmung zu finden.

Aber zu beschreiben, was seine Kunst ausmacht, ist bei aller Begeisterung schwer, nahezu unmöglich. Selbst was im Internet zu finden ist, wird ihm nur zum Teil gerecht. Man kann wohl Marco Tschirpke nur beschreiben, wenn man Marco Tschirpke ist. „Verdichtete Komik“ trifft es sehr gut, sogar im doppelten Wortsinn. Aber das ist ja auch von ihm selbst.

Obwohl er klare Positionen, sehr klare sogar, bezieht, ist es es kaum möglich – zumindest fehlen mir die sprachlichen Mittel – Tschirpkes Vielfalt, Wandlungsfähigkeit und Originalität zu beschreiben. Er lieferte mit Charme und freundlichem Lächeln  ein Feuerwerk blitzgescheiter Gedanken, Pointen und überraschender Betrachtungen der Geschichte wie auch des alltäglichen Lebens. Immer wieder überrascht er mit ungewöhnlichen Sichtweisen und seinem speziellen Humor, auch seiner Kampfeslust.

Keineswegs unterschlagen werden darf sein musikalisches Können. Davon könnte er auch ohne seine diabolische (um beim Teufel zu bleiben) Kabarettkunst leben. Er ist ja sogar der Erfinder der Lapsuslieder. Zum Glück verbindet er beides, noch dazu genial. Um es auf den Punkt zu bringen, dieser musikalisch-kabarettistische Abend war ein Höhepunkt des in diesen Tagen so reichen Kulturlebens in Leipzig, um den die Verleiher des „Löwenzahns“ nur schlecht herumkommen dürfte. (U.G.)

über Theaterturbines „Hin und weg“ (Moritzbastei am 19.10.2023)

Was soll man sagen? Eigentlich würde ich jetzt nur schreiben: Hurra, Jippie, Applaus, Applaus …. In Leipzig ist der Begriff „Theaterturbine“ bereits Fleisch geworden in der städtischen Theaterkultur. Mal in Moritzbastei, Panorama Tower oder NATO, – wenn man die Augen offen hält und Impro-Theater mag, hat man hier immer die Chance auf ideale Erfüllung, auch außerhalb der Lachmesse.

Man geht hin und konsumiert wie überall,
– ABER WAS weiß man nicht vorab, alles entsteht spontan
– man kann und muss als Zuschauer selbst zum Programm beitragen, entweder direkt oder mitlaufend (La-Ola-Welle). „Herrgott“, das machte allen soviel Spaß, egal ob die direkt Angesprochenen es konnten (Michaela und Volker) oder es weniger enthusiastisch hielten (Johanna). Andere Mithilfen, wie Ideen zu Situationen und Figuren oder Inhalte der Handtaschen, waren als szenenbildende Elemente gefragt und wurden bereitwillig gegeben.

Das zweistündige Programm funktionierte so aufs Trefflichste. Heike Ronniger, Rashid D. Sidgi und Armin Zarbock setzten alle Geschichten in Szenen um – unglaublich professionell, gewitzt und energetisch! Lothar Hansen am Klavier untermalte die Zeit unglaublich perfekt, seine musikalische Interpretation unterstützte jegliche spontane Stimmungen: leicht, düster, Lied und Moderation.

Von Heike Ronniger als schöne und kluge Walküre, die sogar von Metzgerin auf Goldschmiedin umsatteln kann, über Rashid D. Sidgi, der wie kein anderer Rasen mäht und gleich mal alle Computer aus dem Fenster haut, bis hin zu Armin Zarbock, der gut Schlittschuh läuft und ansonsten unter Hypnose (Klaus / Winfried) seiner Mutter begegnet und sonst eine unsichtbare Klingel gut bedienen kann – es war ein toller Abend mit vielen guten Überraschungen und Schauspielkunst vom Feinsten. Hurra, Jippie, Applaus, Applaus … (AK)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Tutty Trans „Hai Dai Mau“ (Kupfersaal am 18.10.2023)

Stand-up-Comedy wie aus dem Bilderbuch erlebten die Zuschauer im ausverkauften Kupfersaal. Tutty Tran, das heißt Thomas To Truong Tran, 35 Jahre jung, kennt man bereits seit ca. sieben Jahren als Comedian. Eine große Fangemeinde hat sich gebildet und er versteht es, sein Publikum zu begeistern und mitzureißen. In seinem aktuellen Programm „Hai Dai Mau“ beschäftigt sich der Künstler zunächst mit Namen, wieso er als Sohn vietnamesischer Eltern Thomas heißt, erfahren wir, daneben unterhaltsame Geschichten aus seiner Kindheit. Fließend werden hierin ernstere Inhalte hinsichtlich Herkunft, Toleranz, Ausländerwahrnehmung in Deutschland thematisiert.

Er möchte durch sein produziertes Lachen als Ventil in einer zunehmend frustrierten Gesellschaft wirken. Es gelingt ihm an diesem Abend sehr gut. Zentrales darstellerisches Mittel ist das Spiel mit seiner vietnamesischen Herkunft. Besonders sein Vater „kommt oft zu Wort“: in hoher Stimmlage und mit ausgeprägten Akzent lernen wir ihn und seine Weisheiten kennen, der Saal tobte. Weitere amüsante Anektoden über seine Jugend, Sexlehre nach Bravo, Musik der 90er, „Gehorsam“ gegenüber seiner Freundin – Situationen wie sie jeder kennt, runden gut verarbeitet das Programm ab. Man wird ein wenig an die Art von Mario Barths Comedy erinnert, sicherlich gelingt es auch Tutty Tran, große Hallen zu füllen und die Massen zu erheitern. (AK)

über den Kupferpfennig-Nachwuchswettbewerb (academixer am 18.10.2023)

Der  Kupferpfennig-Nachwuchswettbewerb  am 18. Oktober im Kabarett academixer gestaltete ich zum großartigen Anke-Geißler-Abend. Das lag einmal vor allem an der gut aufgelegten Anke Geißler als Moderatorin, die den Part ihres wegen Krankheit kurzfristig ausgefallenen traditionellen Mitmoderators Christoph Walther professionell übernahm. Es lag aber auch daran, dass von den drei Bewerbern Annemarie Schmidt, Nils Brunschede und David Stockenreither um den mit 100.000 Cent dotierten Preis, nur Nils Brunschede eine Performance ablieferte, die ihn als wirklichen Kabarett-Nachwuchs qualifizierte. Bei den Auftritten der anderen beiden war ich mir da nicht so sicher. Sie hinterließen eher ein großes Fragezeichen, nicht nur weil sie es über weite Strecken an gutem Geschmack fehlen ließen. Nils Brunschede überzeugte am Klavier mit seinem Gesang und seinen pointierten Texten. Besonders mit seiner Udo-Lindenberg-Parodie am Ende seines Auftritts stellte er sein vielfältiges kabarettistisches Talent unter  Beweis. Das Publikum honorierte es mit großem Beifall und wählte ihn zum Sieger des Wettbewerbs. Die Mitbewerber teilten sich den zweiten Platz. (U.G.)

über Fils „Cringe – Das Musical“ (Moritzbastei am 18.10.2023)

Fil ist ein junger Mann (im Körper eines immer noch recht jung wirkenden Mannes vom Jg. 66), der bereits Bekanntschaft mit der Altersweisheit schließen durfte. Das macht sein in Sachen Bühnenbild, Kostüme und Tanz sparsam ausgestattetes Musical reich an Inhalt und Witz. Der früher vor allem als Comic-Zeichner bekannte Berliner („Didi + Stulle“) rollt Gedankengirlanden ab, von denen man nicht glauben möchte, dass sich ihre Enden je wieder treffen werden. Doch sie tun es!

Zwischendurch singt er zur Gitarre von den beiden Hauptfiguren, Bea aus der Reha, die schrippenkaufsüchtig ist, und Jesus, der in Berlin-Weißensee ein Craftbeer-Burger-Bowl-Burlesque-Café betreibt, in dem es keine Pizza Mista gibt. Altersweise sind zum Beispiel Jesus‘ Ausführungen über seinen Vater, der von allen geliebt und um Rat gefragt werden möchte, aber nie zu Hilfe eilt, wenn es mal ernst wird. Altersweise sind ebenso Fils Beobachtungen der verlorenen Generation, die nichts weiter will, als am See zu stehen und vorwurfsvolle Musik zu hören.

Dieser Jugend hat Fil das titelgebende Wort „cringe“ geklaut und bietet ihr im Tausch dafür „ätzend“ aus den 80ern oder 90ern an. Ma kieken, ob die das annehmen. Kieken, so Fil, komme in Berlin vor denken, was entwicklungsbiologische Gründe hat, die er kurz darlegt. Außerdem, erklärt er, leugnen Berliner Probleme anstatt sie zu lösen. Unglaublich (zum Glück wohnen wir in Leipzig)! Das alles erzählt er so lustig ausschweifend, dass sich sein gestriges Publikum jetzt ganz entspannt aufs Alter freut! (BEH)

Fil als Bea (links) und Jesus in der Moritzbastei

… über Martin Zingsheims „Normal ist das nicht“ (Pfeffermühle am 18.10.2023)

Da steht ein junger Mann auf der Bühne, der mit den ersten Sätzen den Saal hat und ihn bis zum Ende der Zugabe nicht mehr loslässt. Normal ist das nicht, so ist das und so heißt auch sein aktuelles Programm. Er hinterfragt die Normalität des Alltags auf eine wunderbar satirisch-witzige Art und bringt die Zuschauer immer wieder dazu, ihren Alltag aus neuen Blickwinkeln zu sehen und Gewohntes in Frage zu stellen. Die Bandbreite ist groß, vegane Ernährung, engagierte Mütter beim Elternabend, der Familienalltag oder auch Corona, die (oder der oder das – laut Duden kein Artikel, also auch keine Schuldzuweisung an definierte Gruppen [der Rezensent]) Zingsheim als weltweite Verschwörung dreier Frauen entlarvt, deren Ziel es war, Männer zum Händewaschen zu bringen.

Sprachlich bereitet Martin Zingsheim großes Vergnügen, wenn er ohne Versprecher in atemberaubender Geschwindigkeit den Einfluss militärischen Vokabulars auf die deutsche Sprache nachweist oder in einem Anfall von Holly-Wut einen Text aus Filmtiteln darbietet. Genauso virtuos mit der Zunge ist er auch mit den Händen, wenn er am Klavier mit seinen Liedern Gesagtes kommentiert oder auf ein neues Thema zusteuert.

Dieser Mann hat Musikwissenschaft, Theater- Film- und Fernsehwissenschaft sowie Philosophie studiert und dieses Studium wohl auch abgeschlossen, sonst hätte er nicht promovieren dürfen – normal ist das nicht. Promoviert hat er zur Intuitiven Musik Stockhausens und dann hatte er die Intention, lieber Kabarettist als Wissenschaftler zu werden – normal ist das nicht. Wenn er als Wissenschaftler nur halb so gut geworden wäre wie als Kabarettist, dann ist der Menschheit ein brillanter Wissenschaftler verloren gegangen. Laut Wikipedia hat er bereits 17 Kabarettpreise gewonnen, zuletzt 2016 der Salzburger Stier. Wäre also wieder mal Zeit … (Matthias Schwarzmüller)

… noch einmal über Martin Zingsheims „Normal ist das nicht“ (Pfeffermühle am 18.10.2023)

Normal – was oder wer ist das schon? Laut Definition bedeutet normal vorschriftsmäßig oder der Norm entsprechend. Doch wer sagt uns, was normal ist, und haben wir nicht eigentlich alle einen an der Waffel, auf gut deutsch gesagt? Ist es normal, dass wir nicht mehr in den Urlaub fliegen sollen, stattdessen aber immer mehr Menschen mit ihrem eigenen Wohnmobil in den Urlaub fahren? Macht das Sinn? Macht es Sinn, den Fleischkonsum einzuschränken, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern, dafür aber Avocados und Sojabohnen aus Südamerika zu importieren? Und warum lieben wir eigentlich Hollywood-Filme? Weil die Schauspieler:innen darin ein so normales Leben haben? Wohl eher nicht. Wohl eher wegen des Happy Ends, was sich wahrscheinlich jeder von uns in seinem Leben wünscht. Der Auftritt des Kölners regte zum Nachdenken an. Er präsentierte gute Satire, gepaart mit eigenen Erfahrungsberichten, unterstützt durch Gesang und Begleitung am Klavier. Es war ein sehr gelungener Abend mit einem sehr talentierten Künstler, dem das Publikum gespannt lauschte, viel lachte und einfach glücklich war. Fast wie das Ende eines Hollywood-Films, nur eben im echten Leben. (VE)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Nun flog Dr. Bert Rabes „Geschichten über das Übliche“ (Moritzbastei am 17.10.2023)

Dankbar bin ich dafür, dass dies meine Einstiegsveranstaltung zur diesjährigen Lachmesse war. Neugierig aufgrund des ungewöhnlichen Namens der Combo und nach kurzem Schnüffeln in Youtube machte ich mich auf den Weg zur Veranstaltungstonne in der Moritzbastei. Im Programm stand dazu „Indie-Pop“. Mein Erwartungshorizont wurde übertroffen und es gab:
– drei handwerklich geniale junge Musiker mit grenzenloser Lust an ihrer Performance
– deutsche Texte, die entzücken
– charmante Interaktion mit uns Zuschauern

Das (leider zahlenmäßig geringe, ca. 60 Personen) Publikum war atemberaubend, ALLE wollten genau DORT sein: schwelgten, tanzten, sangen mit und machten Applauslärm wie 1000 Leute. Das Programm „Geschichten über das Übliche“ schenkte uns mit Geige und Gesang (Mila), Schlagzeug (Paul) und Klavier (Hannes) fulminante musikalische Unterhaltung. Von zart bis knackig, virtuos bis rockig und immer sehr rhythmisch (dank Paul), wurde man zum Staunen, Gänsehaut und Tanzen gebracht. Die Gesamtheit war so stimmig! Milas Stimme kommt vom Olymp und ist mittendrin – das macht die ganze Sache so perfekt. Aber auch die Texte … Hey, deutsche Texte sind entweder gut oder stupid. Dies hier ist Poesie und gerade die einfachen Texte bzw. Geschichten (das Übliche) sind so herrschaftlich in die Musik eingekleidet, dass man sofort genau drinsteckt und fühlt tief, dass dies scheinbar Banale nicht das, sondern die Welt und das Leben sind. Hier ist eine besondere Pflanze am Treiben, die bitte noch wachsen soll! Werdet dafür auch Publikum, sozusagen: Wasser und Dünger für Nun flog Dr. Bert Rabe. (AK)

… über Reisegruppe Ehrenfelds „Das Ziel ist auch nicht die Lösung“ (Sanftwut am 17.10.2023)

Ein etwas anderer, jedoch kurzweiliger und vergnüglicher Reisebericht einer sechsmonatigen Fahrradreise durch Südamerika, gespickt mit komödiantischen Einlagen und politischer Satire, erwartet den Zuschauer beim Programm „Das Ziel ist auch nicht die Lösung – Ein Paar packt aus“ der Reisegruppe Ehrenfeld, die aus Maja und Theo besteht. Die pantomimische Darstellung eines Basketballspielers von Theo, auch in Slow-Mo, ist zum Schreien komisch und wird von Majas Gesangseinlage hervorragend untermalt. Interessant ist die Episode zur „diktatorischen Wurst“. Hier wird die Frage aufgeworfen, ob man die Einladung eines bis dahin netten Gastgebers ausschlagen kann, nachdem man erfahren hat, dass dessen politische Einstellung mit der eigenen im Widerspruch steht. Weitere Highlights waren für mich das Treffen der Beiden auf andere deutschsprachige Landsleute – Maja imitiert den Hamburger und hessischen Dialekt sowie den Wiener Schmä fantastisch – sowie der Rap zu einer Fahrt durch Ascheregen und Regen. Durch die Diashow zur Reise im Hintergrund werden die Geschichten und Pointen treffend bebildert. (AG)

… über Erik Lehmanns und Mandy Partzschs „Paarshit happens“ (Pfeffermühle am 17.10.2023)

Wenn jemand weiß, wie man mit einer guten Portion Humor und Sarkasmus das Publikum bei Laune hält, dann Erik und Mandy. Während das Stück zunächst recht entspannt begann und noch nicht so ganz klar war, was einen an dem heutigen Abend erwartet, wurde die Stimmung der Zuhörer:innen  von Minute zu Minute ausgelassener und die ein oder andere Person aus dem Publikum wurde mit einbezogen. Zunächst wurde ein älteres Ehepaar gespielt, welches einen kindischen Streit am Frühstückstisch hatte. Was fällt der Frau aber auch ein, ihrem Mann keinen Eierlöffel zum Frühstücksei hinzulegen? Es folgten weitere solcher Szenen mit einer guten Portion Sarkasmus, teilweise fast schon zynisch. Da hofft die arme Ehefrau doch, dass der Gatte im Altenheim endlich ins Gras beißt, bevor auch noch der letzte Rest des Ersparten ausschließlich für seine Pflegekosten drauf geht. Schließlich wollte sie sich als Rentnerin doch eine Wohnung auf Mallorca kaufen und sich in Ruhe zurückziehen.

Wiederum andere überlegen, ob man nicht doch mal Benzin in die Toilette gießen sollte, wenn der Partner mal wieder heimlich auf der Toilette raucht und den Glimmstängel anschließend wegspülen will – wäre doch sicher lustig. All dies wurde natürlich in bestem Sächsisch aufgeführt, doch dies versteht sich wohl von selbst. Unterstützt wurden die Inszenierungen mit Gesang und humorvollen und abwechslungsreichen Kostümen. Auch vor aktuellen Themen wurde nicht Halt gemacht. Denn schließlich strickt die moderne Oma heutzutage keine Socken mehr, sondern eine Maske in den Farben des Regebogens, welche der Enkel – oder vielleicht ist es doch ein Mädchen, mittlerweile weiß das ja keiner mehr so genau – auf dem Christopher Street Day tragen kann. Man muss eben mit der Zeit mitgehen, wie sie sagt, auch wenn man nicht alles versteht. Dem tosenden Applaus nach zu urteilen, hat das Publikum zumindest Erik und Mandy verstanden und einen sehr angenehmen und lustigen Abend erleben dürfen. (VE)

Leipziger Lachmesse 2023

… über Michael Feindlers „Durchbruch“ (academixer am 17.10.2023)

Michael Feindler kommt mit seinem brandneuen Programm „Durchbruch“. Es firmiert unter dem Label „Poetisches Kabarett“ und sein Markenzeichen sind auch die immer wieder eingestreuten Gedichte, die die Texte kommentieren oder ergänzen. Texte, die sich auf philosophisch-psychologische Weise mit den Individuen auseinandersetzen, die sich im Kontext des Alltäglichen in Gruppen wiederfinden. Wie stark beeinflusst eine solche Gruppe den Einzelnen, wie klar grenzt man sich von anderen Gruppen ab, sind diese nicht beachtenswert oder gar feindlich? Alles ist möglich, verhandelt im Programm anhand von Protagonisten wie Onkel Archibald oder Lena, der erstere ein Vertreter der Gruppe der Leistungsträger, sie dagegen eher in der Gruppe der Leistungsempfänger. Ist eine Annäherung möglich? Feindler hat natürlich einen Vorschlag.

In seinen Texten und Liedern dreht es sich immer um das Individuum, dass mutig sein soll beim Anteil an der Gestaltung seines Lebens und seiner Zukunft, sei es als panzerfahrender Nachbar oder als Milliardär, sei es auf Haiti oder bei einer Priesterverbrennung im Vatikan, beim Walduntergang oder im Wahllokal. Es sind poetische, philosophische und intellektuelle Texte, die dem Publikum ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit abverlangen. Dies gelingt nicht immer, denn Michael Feindler erzählt nicht seine Texte, er liest sie ab. Das mag sicher dem geschuldet sein, dass das Programm noch keinen Monat alt ist. Aber Lesen beinhaltet Geschwindigkeit, der man nicht immer geistig folgen kann. Dazu gesellen sich noch einige Versprecher. Das Programm muss und wird sich entwickeln, die Momente ohne Mappe lassen erahnen, dass es gut wird. Der Durchbruch kommt! (Matthias Schwarzmüller)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Moni und Mannis „Lieber alt und frisch als jung und verdorben“ (Sanftwut am 16.10.2023)

War ich anfangs geneigt zu schreiben, die große Kunst war es nicht, korrigierte ich mich im Laufe des Abends in Gedanken zunehmend. Ich habe einen Kabarettabend erlebt, der sein Publikum einbezog, bestens unterhielt und schließlich sogar begeisterte. Da wurde herzhaft, kritisch, aber auch sensibel-nachdenklich, jedoch immer mit viel Humor und blitzgescheiten Pointen in das pralle Menschenleben hineingegriffen. Und natürlich wurden die Regierenden und ihr Handeln und ihre Haltung zu den Regierten kritisch betrachtet. Die beiden Protagonisten von Sanftwut, Uta „Moni“ Serwuschok und Thomas „Manni“ Störel boten zweieinhalb Stunden Vollblutkabarett im besten Sinne und in seiner ganzen Breite mit allem, was zum Kabarett gehört. Nicht vergessen werden darf der musikalische Teil des Abends, besonders die Charles-Aznavour-Persiflage hat mich begeistert.

Moni und Manni scheuten nicht vor an Klamauk grenzende Passagen zurück, und ich war mir auch nicht immer sicher, ob hier und da nicht Grenzen der Political Correctness überschritten wurden. An deren Grenzen zu gehen, gehört auf jeden Fall zum Kabarett. Deutlicher geprägt war der Abend jedoch von der humorvoll-kritischen, geistvollen und pointierten Auseinandersetzung mit der ganzen Bandbreite der aktuellen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Fragen. Große Kunst oder nicht – ein Kabarettabend, der die Zuschauer in bester Stimmung in die Nacht entließ. (U.G.)

… über Reiner Kröhnerts „Er“ (Pfeffermühle am 16.10.2023)

Der Merz ist gekommen und man fragt sich im ersten Moment: Ist er es wirklich? Gleiche Statur, gleiche Brille, gleicher Habitus. Kröhnert versteht es, mit minimalem Einsatz von Requisiten (Brille und Perücke – letztere natürlich nicht bei Merz), Haltung, Sprache und Licht sekundenschnell in seine Bühnenfiguren zu wechseln. Und es sind nicht wenige: neben Friedrich Merz begegnen uns Wolfgang Schäuble, Michel Friedmann, Rüdiger Safranski, Boris Becker, Robert Habeck, Daniela Katzenberger, Adolf Hitler, Gerhard Schröder, Joachim Gauck, Boris Pistorius, Winfried Kretschmann, Angela Merkel und Erich Honecker.

Während anfangs Friedrich Merz seine Kanzlerambitionen darlegt, die AfD-Anhänger wieder zur CDU zurückholen will (der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch) und mehr deutsches Engagement für den Krieg fordert (war ja mal eine deutsche Kernkompetenz), schwadroniert Schäuble über seine Rolle als Kanzlermacher, er sieht Merz als zukünftigen Grökaz. Das wiederum verbittet sich Adolf Hitler, er sei schließlich der Größte aller Zeiten gewesen.

Die wiederkehrende Talkshow mit Friedmann und Safranski unter dem Titel „Krieg, aber fair“ hat illustre Gäste (siehe oben), die sich auf ihre Weise zum Thema äußern, so beispielsweise Frau Katzenberger zur familieninternen vormilitärischen Ausbildung ihrer achtjährigen Tochter über Ballerspiele, bei denen man das Gehirn der Getroffenen (alles böse Menschen) richtig über den Bildschirm spritzen sieht.

Robert Habeck spricht über Waffenlieferungen. Sofort nach der Übergabe eines deutschen Panzers an der Grenze hört dieser auf, eine Waffe zu sein, da man ihn ja auch anders einsetzten könne. Analog dazu ist ein Fön ja auch keine Waffe, bis man ihn in die Badewanne wirft. Alle im Programm auftretenden Figuren nehmen auf ganz persönlich erschreckende Art Stellung zum Thema Krieg. Kröhnert stattet sie mit allem aus, das entlarvt und dem Publikum mehrmals ein lautes „Oho“ entlockt, das übersetzt so viel heißt wie „Darf man denn das?“

Kleiner Wermutstropfen, das Programm heißt „Er“, aber der Gemeinte tritt nur zweimal auf, ich hätte ihn gern öfter gesehen, was aber dem Ganzen keinen Abbruch tut. Ein wunderbares politisch-satirisches Programm mit einem Künstler, der es versteht, aktuelle Fragen der Zeit in handwerklich grandiose Figuren zu verpacken. Wer sich nicht politisch informiert, hat an einigen Stellen keine Chance, die Nuancen herauszuhören, die Mehrheit im Publikum hat es geschafft. Ein Programm gegen Krieg, Dumpfheit und Ignoranz, das Kröhnert als zweite Zugabe nur mit einem Wort beendet: „Shalom“. (Matthias Schwarzmüller)

DER MDR Kultur berichtet über die 33. LACHMESSE LEIPZIG 

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/lachmesse-kabarett-satire-festival-kultur-news-100.html

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über William Wahls „Nachts sind alle Tasten grau“ (Kupfersaal am 15.10.2023)

William Wahl versteht es, ab dem ersten Augenblick den ausverkauften Saal in seinen Bann zu ziehen. Gleichermaßen virtuos an den Tasten wie in der Conférence erzählt er seine Geschichten, humorvoll, komisch, leise und berührend. Und er klärt uns auf, was man im Leben so beachten muss: Die richtige Kita für Korbinian Flynn zu finden („Schicke Kita“ nach ABBAs „Chiquitita“), die Probleme einer gegenderten Berufsgruppe (Innenarchitekt*innen im Gegensatz zu Außenarchitekt*innen), die Auswahl der richtigen Kombination für die Shisha-Pfeife (von Melone-Minze ist ebenso abzuraten wie von Papaya-Kirsche). Dabei nimmt er sich bekannte Lieder von Udo Jürgens bis Frank Sinatra und macht daraus Wahl-Lieder. So zum Beispiel, wenn er im April stark erkältet war, dann tut ihm der Hals den ganzen Mai weh (da müssen Sie jetzt selbst drauf kommen!).

Herausragend auch seine spezielle Art von Humor, wenn er Vorschläge macht, wie man am 20. April Geburtstag feiern kann, ohne dass der Schatten der Vergangenheit darauf fällt. Oder wenn er erzählt, wie er seiner Freundin wie bei Amazon Punkte gibt und tatsächlich fünf Punkte verteilt … von zehn. WW kennt sich aus in Leipzig, war hier schon mit der a-cappella-Formation Basta und hat wohl so viel Lokalkolorit aufgeschnappt, dass er für einen gebürtigen Bochumer seine Version von Sinatras „New York, New York“ mit annehmbaren Sächsisch garniert. Am 12. Oktober ist er fünfzig geworden, herzlichen Glückwunsch dazu und zu einem tollen Programm. Ich vergebe zehn von fünf möglichen Punkten. (Matthias Schwarzmüller)

33. Leipziger Lachmesse eröffnet

Zum Auftakt erhielt Nessi Tausendschön den „Leipziger Löwenzahn“

Im ausverkauften academixer–Keller feierte das Publikum die aktuelle Lachmesse-Preisträgerin. Nessi Tausendschön bekam den „Löwenzahn“ für das beste Programm des Vorjahres. Die Kabarettistin präsentierte gemeinsam mit ihrem musikalischen Begleiter William Mackenzie  noch einmal Ausschnitte aus „30 Jahre Zenit – Operation Goldene Nase“. Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt Sebastian Weingarten, bis vor kurzem Intendant des Stuttgarter Renitenztheaters und jahrelanger Wegbegleiter von Nessi Tausendschön. Die Kabarettistin, geehrt u.a. mit dem Deutschen Kabarettpreis und dem Salzburger Stier, nahm den „Löwenzahn“, den die Leipziger Messe stiftet, aus den Händen von Dr. Andreas Knaut, Unternehmenssprecher der Messe, und Dr. Anja Jackes, Leipziger Kulturamtsleiterin, entgegen.

Das 33. „Internationale Humor- und Satirefestival“ lädt vom 15. bis 22. Oktober 2023 zu fast 80 Veranstaltungen ein. Auf elf Bühnen werden 120 Künstlerinnen und Künstler aus zwölf Ländern zu erleben sein. Sie bieten die gesamte Palette der Kleinkunst: Kabarett und Comedy, Musik und Magie, Gedichtetes und Improvisiertes wie auch Clownerie und Puppenspiel.  Zu den prominentesten Gästen zählen in diesem Jahr u.a. Luise Kinseher, Désirée Nick und Simone Solga sowie Alfred Dorfer, Jörg Knör und Reiner Kröhnert.

Ein Festival der Vielfalt der Weltsichten

Vielfalt und Humor sind seit 1991 die Markenzeichen der Lachmesse in Leipzig. Seit gestern läuft sie wieder, auf elf Bühnen mit 79 Veranstaltungen, 120 Damen und Herren, die sich der Kunst im kleinen Rahmen verschrieben haben, um letztlich über ihre Sicht auf die Welt zu reden. Eröffnet haben André Bautzmann und Robert Günschmann die 33. Ausgabe der Lachmesse in burschikos und ebenso feierlich im ausverkauften academixer-Keller und der Preisträgerin des Leipziger Löwenzahns ’22, Nessi Tausendschön, würdig die Bühne bereitet. Anschließend zeigte die Preisträgerin die perfekte Art ihrer Kleinkunst und begeistere, unterstützt vom Vollblutmusiker William Mackenzie, wieder mal ihr Publikum. Das war schon einmal ein grandioser Start. Dazu stand noch im Lachmesseprogramm Henning Venske und Hans-Jürgen Silbermann als Legenden in der gut besuchten Leipziger Pfeffermühle und bei den academixer sang Tom Pauls vor ausverkauftem Haus am Morgen mit Peter Ufer ein Loblied auf die sächsische Mundart und am Nachmittag eins auf die Stadt Leipzig. Alle Programme sind unter www.lachmesse.de nachzulesen.

Der „Leipziger Löwenzahn ’22“ geht an Nessi Tausendschön

Die Begeisterung über ihr Jubiläumsprogramm mit der brillanten musikalischen Unterstützung durch William Mackenzie im academixer-Keller hat gezeigt: Für den Lachmessepreis „Leipziger Löwenzahn“ kann es kaum eine passendere Preisträgerin geben. Da ist schon ihr Name, welcher das Gänseblümchen so königlich beschreibt, dazu hat sie alle Eigenschaften und Kompetenzen, die man auf der kleinen Bühne braucht, virtuos lässt sie die Säge singen, sie beherrscht gesanglich wie mimisch sämtliche Gemütslagen und damit als Diseuse in kapriziöser Weise ihr Publikum. So versetzt sie es in einen Dämmerzustand zwischen Fantasie und Wirklichkeit, in dem die Überzeugung reift, das Leben ist in der Tat nicht fad.

Die 32. Lachmesse wurde gestern erfolgreich abgeschlossen

Heiter und mit viel Applaus fand gestern die 32. Lachmesse Ihren erfolgreichen Abschluss. Sie hat als renommiertes Ereignis im Leipziger Kulturkalender wieder gezeigt, dass sie auch in bewegten Zeiten bestehen kann und im vorherrschenden politischen Moment ein wichtiges Podium des Austausches und der Besinnung bietet. Allgegenwärtig waren Virus, Krieg und die möglichen Folgen. Zu erleben war die Kunst nahezu vierer Generationen und gezeigt wurden alle Spielarten, die auf die kleine Bühne passen. Und am schönsten war es immer dann, wenn man genau wusste, weshalb man lacht.
Wie jedes Jahr begann die Lachmesse mit der Verleihung des „Leipziger Löwenzahns“, die ausnahmslos zu den großen und ausverkauften Veranstaltungen des Festivals gehört. Ausverkauft war ebenso fast erwartungsgemäß der Abend mit Lisa Eckhart im Schauspiel Leipzig, auch die „Jürgen-Hart-Satire-Matinee“ im Haus Leipzig, dann der Nachwuchswettstreit „Kupferpfennig“ im academixer-Keller und die Gastspiele von Lisa Fitz sowie Simone Solga in der Leipziger Pfeffermühle, das von Zärtlichkeiten mit Freunden bei SanftWut und im Kupfersaal das von Michael Hatzius. Die Standards „Ur-Krostitzer Gala“ im Schauspiel Leipzig und der Legenden-Treff mit Jürgen Becker und Gunter Böhnke in der Leipziger Pfeffermühle hätten in diesem Jahr mehr Publikum verdient..
An der großen Freude des Publikums bei den Vorstellungen war abzulesen, dass gerade in unsicheren Zeiten der Lachmesse durchaus gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Lachen und Verstehen gehört eben auch zum gesellschaftlichen Diskurs. Freilich war an den Besucherzahlen auch die allgemeine Verunsicherung abzulesen. Acht Vorstellungen mussten abgesagt werden, drei wegen Krankheit und bei den anderen mangelte es an Besuchern. Weniger also als im letzten Jahr. Damit sind mit 11.000 Besuchern die Erwartungen übertroffen worden. So kann man das 32. Leipziger Humor- und Satirefestival schon als Erfolg werten. Der Vorstand des Lachmessevereins resümiert: Die Lachmesse hat sich als resistent bewiesen.

22.10.2022
Katrin Hart, Dörte Waurick, Arnulf Eichhorn, Harald Pfeifer
Vorstand Lachmesseverein

Die 2022er Favoriten der Lachmesse-Publikums-Jury …

… heißen Lothar Bölck, Thomas Reis und Maxi Schafroth (wertungsfreie alphabetische Reihenfolge). Wir waren begeistert und wünschen alles Gute, massenhaft Publikum und bald wieder Auftritte in Leipzig! Ohne Mühe hätten wir fünf, sechs weitere Namen nennen können, aber dann wäre es unübersichtlich geworden. Jetzt sind wir gespannt auf den bzw. die Löwenzahn-Preisträger/in der großen Jury!

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Christoph Fritz‘ „Zärtlichkeit“ (academixer-Keller am 23.10.2022)

„Christoph Fritz ist geil.“ So begrüßt Fritz sein Publikum am letzten Lachmessetag im academixer-Keller. „Christoph Fritz ist geil, weil …“ Es ist keine Lobhudelei sich selbst gegenüber, die der 28-Jährige wie ein Mantra daher betet, sondern eher eine selbsterfüllende Prophezeiung. Die allerdings beim Protagonisten nicht so recht die erwünschte Wirkung zeigen will. Dafür schüttet er aber für die Dauer seines Programms staubtrockenen schwarzen Humor über dem Publikum aus. Sein Wiener Schmäh tut das Übrige dazu. Zurück zum Programm: Christoph Fritz lässt das Publikum teilhaben an seiner Sehnsucht und Suche nach Zärtlichkeit. Die sieht dann aber nicht ganz überraschend anders aus als landläufig angenommen. So lässt er uns durchaus detailreich teilhaben an intimen Momenten, verbindenden Situationen am Urinal, einem tiefgreifenden Urologenbesuch oder nächtlichen Überfall in einer dunklen französischen Gasse. Überall da findet er seine, zugegeben, eher skurrile Art von Zärtlichkeit. Sicher, manche Pointe ist ein bisschen drüber, bisweilen auch derbe unter der Gürtellinie. Aber wie er da so steht, der Christoph Fritz, so herrlich unaufgeregt, beinahe schon schüchtern-introvertiert, das macht, gepaart mit seinem schwarzen Humor, alles in allem Spaß zuzuhören und zuzusehen. (SR)

über Patrizia Morescos „Lach mich“ (Central Kabarett am 23.10.2022)

Da kommt eine süße Frau auf die Bühne bei wenig Publikum (ca. 70 Personen) im sonst sehr hübschen, großen Saale und sie ist wild entschlossen, die Leute zu erobern. Zu direkt. Sie hat zunächst eine zwar immer überaus sympathische, allerdings auch flatterhafte Bühnenpräsenz. Sie animiert das Publikum zu mehr Applaus, zunächst holpert es ein wenig. Es geht am Abend jedoch stetig voran – sie ist witzig! Die Stand-ups sitzen ihr jetzt wie eine Pelle auf der Haut. Sie hat ein gut geschriebenes Programm, das sie auf der Bühne lebt! Ihre unerwarteten Lieder + Körpersprache sind noch besser und die Stimme dabei wundervoll! Ihre Themen sind gut gegriffen und aktuell, viele ihrer individuellen Stories untermalen das „Große Ganze“. Ich habe mich sehr oft angesprochen gefühlt. Das hat Spaß gemacht. Die Künstlerin ist stark, klug und stimmgewaltig. Das fand das Publikum auch und geizte nicht mehr mit Beifall und Gunstbezeugung. (Anja Kral)

über Maxi Schafroth „Faszination Bayern“ (Haus Leipzig am 23.10.2022)

1) Ein sympathischer junger Mann betritt die Bühne mit einem Trachtenjanker und begrüßt sein Publikum überschwänglich zur Gründungsveranstaltung der CSU-Landesgruppe Sachsen. Im Außenbereich wartet auf uns das Bayerische Kabinett und die CSU-Bundestagsfraktion. Kurz herrscht Ruhe im Saal – dann Applaus und schallendes Gelächter. Mit Leichtigkeit, Spielfreude und Komik erzählt Maxi Schafroth von seiner Heimat, der Kultur und dem besonderen Menschenschlag. Auf dem Bauernhof, wo Nachhaltigkeit nicht nur ein Wort ist, wo Treckerfahren zur Grundschulausbildung gehört, wo Frauen am Sonntag in die Kirche und Männer ins Wirtshaus gehen, ist er aufgewachsen. Wen es in die Welt, ins Abenteuer zieht, der muss den Lech – der das strukturschwache Allgäu vom wohlhabenden Oberbayern trennt – überwinden. Am Sehnsuchtsort München absolvierte Maxi Schafroth eine Ausbildung zum Bankkaufmann und beschreibt uns im Allgäuer Bankerdeutsch voller Anglizismen das Leben der Elektro-SUV-fahrenden, ihre Kinder optimierenden und Manufaktum-Gummistiefel tragenden Familien. Gemeinsam mit Gitarrist Markus Schalk und einem beeindruckenden Hüftschwung sorgt er auch bei seinen skurrilen musikalischen Einlagen für Lacher. Ach, wenn sich doch unsere täglichen Entscheidungen auf das „Mähen oder Nichtmähen“ beschränken würden! Ein kurzweiliger und amüsanter Abend, für den das Publikum mit anhaltendem Applaus dankt! (S.B.)
2) Maxi Schafroth kommt aus Bayern. In Leipzig lädt er sein Publikum zu einem Heimatabend ein und zur Gründung einer CSU-Gruppe. Doch wenn er seinen Lodenjanker ablegt, merkt man schnell, dass er sich an der bajuwarischen konservativen Wertegemeinschaft ebenso gekonnt abarbeitet wie an der schwäbischen „Nachhaltigkeit“ – früher sagte man Geiz. Oder an der Münchner Schickeria und Stuttgarter Immobilienkäufern. Der „Landwirtschaftsfachmann“ aus dem Unterallgäu vermittelt scharfzüngig und temperamentvoll nicht nur die sprachlichen Unterschiede zwischen seinen Landsleuten diesseits und jenseits des Lech und darüberhinaus. Er spielt auch souverän mit dem Publikum im gut besetzten Saal vom Haus Leipzig, dem er ein volles Programm ohne Pause verspricht. Doch auf dieser seiner „Demeter-Veranstaltung“ können die Leute ruhig „frei herumlaufen und picken“. Das Angebot an Pointen ist reichlich. (P.S.)

über Alfons‘ „Jetzt noch deutscherer“ (Haus Leipzig am 22.10.2022)

Hervorragend! Unterstützt von einer Pianistin nimmt Alfons das große Haus Leipzig in Beschlag und verwandelt es mit seinen Geschichten in ein deutsch-französisches Wohnzimmer. Wir lernen seine Großmutter kennen, den Trick mit der dressierten Fliege, die Freunde aus der Kindheit, französische Komödien über den Zweiten Weltkrieg usw. usf.. Wir hören mit Erstaunen von Grandmères Kontakt zu François Mitterrand und wollen ein Beweisfoto sehen – das kommt! Wir wollen mit Alfons den Tresor im Haus der Großeltern öffnen – das gelingt! Wir fiebern der Einbürgerung des sympathischen Franzosen nach Deutschland entgegen und freuen uns über nachbarliche Erkenntnisse wie diese: „Die Deutschen möchten gerne streiken, aber sie haben keine Zeit, sie müssen arbeiten. Deshalb haben sie den Warnstreik erfunden …“ Alles an diesem Abend hat seinen Sinn, die Motorräder, der brennende Kühlschrank, sogar Olaf Scholz. Alfons sorgt für helle Lacher, tiefe Rührung und dafür, dass man seine Geschichte nicht vergisst. (BEH)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

über Ludger Ks „Orwell war ein Optimist“ (Central Kabarett am 20./21.10.2022)

Ludger K hat sich als Gegner der Corona-Maßnahmen positioniert, er sagte Nein zu Auftritten unter 2G-Bedingungen, das hat sich herumgesprochen und u.a. zu zwei aufeinanderfolgend ausverkauften Abenden im Central Kabarett geführt. „Orwell war ein Optimist“, überschrieb der Ruhrgebietler mit Sachsen-Sympathie diese Abende. Für ihn ist das Leben heute also schlimmer als das der Protagonisten im Buch „1984“. Ludger K versucht das mit Beispielen zu belegen. Er sagt aber auch: „Wir sind nicht so erhaben, wie wir das von uns selbst glauben.“ Und bedauert die Unversöhnlichkeit der Fronten. Seine Geschichte von den Bekloppten und den Ärzten trägt zur Versöhnung allerdings nicht bei. Überaus interessant hingegen ist sein Ausflug in die Entstehungszeit der Kanalrepublik Panama, dort schufen die USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen politische Tatsachen – kein Allgemeinwissen. Und richtig super ist Ludger Ks Zugabenwitz über das Ehepaar Clinton, das in Hillarys Heimat fährt und dort einen Tankwart trifft, der in seiner Jugend ein Auge auf die spätere Präsidentengattin geworfen hatte. Bill meint lächelnd: „Hättest du dich damals für ihn entschieden, wärst Du jetzt Tankwartsfrau.“ Hillary antwortet: „Nein, dann wäre er jetzt Präsident!“ (BEH)

über Luna Tics „On Air“ (Sanftwut am 21.10.2022)

Kleinkunst kann große Kunst sein. Gestern Abend war es zu erleben bei Radio Luna Tic, verkörpert von Olli, der Grande Dame mit dem französischem Akzent, und Claire aus Spandau mit der kessen Berliner Schnauze. Als Studio-Ausstattung dienen ein Piano, ein Mikrofon und das Leucht-Tableau „On Air“, das im Wechsel an- und ausgeschaltet wird. Von der Abwechslung lebt das gesamte Programm. Im Zentrum stehen Chansons, hinreißend interpretiert auf Französisch, Italienisch, Deutsch und Rätoromanisch. Dazu exzellentes vierhändiges Klavierspiel im fliegenden Wechsel nebeneinander, übereinander, rücklings … Bei Radio Luna Tic gibt es ein Wunschkonzert, ein Sorgentelefon (mit einem Anruf auf Schwyzerdütsch), eine Live-Reportage von der ersten weiblichen Mondlandung. Geboten wird ein Hörspiel in drei Varianten, immer mit einer Katze, einem Vogel, einem Auto und einer liebenden Frau. Für die Autogeräusche sorgt das Publikum, das wieder und wieder nicht aus dem Lachen herauskommt. Die beiden Radiofrauen ergänzen sich, streiten und vertragen sich, tauschen die Rollen. Virtuos, temperamentvoll, überraschend, urkomisch, herzergreifend, phantasievoll, artistisch – all das ist dieses Radio Luna Tic. Ich würde es gern auf meinem Empfänger einprogrammieren. Wie war doch gleich die Frequenz? (Wolfgang Leyn)

… über Hotel Matzes Live-Podcast (Kupfersaal am 21.10.2022)

Der Kupfersaal scheint für die besonderen Farben in der Palette der Lachmesse zuständig zu sein. Nach dem Wettstreit Slam vs. Kabarett nun ein Live-Podkast. Dahinter verbirgt sich ein von Gastgeber Matze geführtes Gespräch mit einem Überraschungsgast, in diesem Fall Sebastian Krumbiegel. Krumbiegel wurde von dem meist jungen Publikum mit starken Applaus empfangen und mehrfach unterbrochen. Obwohl nur wenige der Zuschauer wussten, wer der Überraschungsgast war, hatte man den Eindruck, im ausverkauften Saal hätte sich nur Krumbiegel-Fans befunden. So entstand von Anfang an eine begeisterte Stimmung. Der Eingeladene schilderte interessant, episodenreich, sehr ehrlich und auch nachdenklich seine Entwicklung und die der Erfolgsband Prinzen, deren einer der Sänger und führenden Köpfe er ist. Er machte keinen Hehl aus seiner politischen Position, links, konsequent engagiert gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus, Rassismus und Krieg, für Frieden und die Liebe. Man erlebte den kämpferischen, aber auch den nachdenklich zweifelnden Künstler, keinesfalls einen Besserwisser, sondern einen, der trotz alle klaren Überzeugungen noch Fragen an sich und die Welt hat. Am Schluss gab er noch ein kleines Konzert und wurde dafür mit stürmischem Applaus regelrecht gefeiert. Ein vom Publikum begeistert aufgenommener Abend. (U.G.)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Slam vs. Kabarett (Kupfersaal am 20.10.2022)

Der Wettbewerb Slammer gegen Kabarettisten ist ein besonderer Farbtupfer im bunten Programm der Lachmesse, sicher nicht das Highlight, aber doch ein besonderer Event, eine Bereicherung auf jeden Fall. Die Slammer Anna Bartling aus Hamburg  und Marvin Weinstein aus Lüneburg, dazu die Kabarettisten Felix Treder aus Hamburg  und der Berliner aus dem Ruhrpott C. Heiland standen sich jeder gegen jeden in einem harten Wettkampf gegenüber. Dem Sieger winkte eine gute Flasche Whisky als Preis. Die Moderation von Jonas Greiner und die musikalische Umrahmung durch Die Sax’n mit feinstem Jazz gehörten, um das vorwegzunehmen, zum Positiven des insgesamt gelungenen Abends. Die vier Protagonisten traten in einer Ausscheidungsrunde gegeneinander an. Die Abstimmung per Akklamation ging äußerst knapp an Marvin Weinstein und C. Heiland. In der Endrunde schließlich setzte sich der Slammer gegen den Kabarettisten durch. Marvin Weinstein konnte den Whisky mit nach Hause nehmen. Über Treders Witze über die Alten konnte mancher nur bis zu einem bestimmten Alter lachen. Und Heilands Stil  war nichts für Feinsinnige, schon gar nicht, wenn er sich mit hängender nackter Wampe im Liegestütz produzierte. Die Slammer waren da die Feinsinnigeren. Das Publikum begleitete die Protagonisten mit begeistertem Beifall. Es ist anzunehmen, dass diese Veranstaltung auch im kommenden Jahr ihre Liebhaber finden wird. Sie ist aus dem Lachmessekalender nicht mehr wegzudenken, sehr gern wieder mit Jonas Greiner und den Sax’n. (U.G.)

… über Holger Paetz‘ „Liebes Klima, gute Besserung!“ (Pfeffermühle am 20.10.2022)

Der Münchner ist ein geistvoller Satiriker, der bereits 1996 mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet wurde. In seinem Programm „Liebes Klima, gute Besserung!“ nimmt sich der Kabarettist wiederum der großen aktuellen Themen an, die er seinem Publikum in rasantem Tempo mit teils rabenschwarzem Humor serviert. Es beginnt schon damit, dass man dem Klima niemals „Good Health“ wünscht – man pustet so jede Menge Corona-Viren in die Luft. Ansonsten kennt sich Holger Paetz natürlich in der Materie aus. Er weiß, dass die Erderwärmung nur durch CO₂-Reduzierung gestoppt werden kann. Und die liegt in der Hand derjenigen, die ihre Alltagsgewohnheiten nicht ändern können oder wollen. So nimmt er nicht nur SUV-Fahrer und Fleischesser aufs Korn, sondern hinterfragt auf höchst pointierte Weise auch Vorschläge, die das Klima vielleicht heilen könnten: Wenn Basaltstaub wirklich Kohlendioxid binden könnte, müsste man zweimal im Jahr das Matterhorn zerlegen, um der überflüssigen Menge Herr zu werden. Um weniger CO₂ auszustoßen, empfiehlt er dem Pfeffermühlenpublikum u.a., sich doch hinzulegen und flacher zu atmen. Paetz macht das Gegenteil. Nachdem er sich gewohnt bissig zum Thema Klima in Rage geredet hat, zeigt er sich erneut als Lyriker mit ebenso skurrilen wie pointierten Gedichten voller Wortakrobatik. Dass er dabei nach zweistündigem freien Solovortrag doch ins eigenverlegte Büchlein schauen muss, macht den großen Kleinkünstler noch sympathischer. Wer den Besuch der Pfeffermühle an diesem Abend gescheut hat, verpasste etwas. (PS)

… über Friedemann Weises „Bingo“ (Moritzbastei am 20.10.2022)

Es war ein netter Abend. Und ich habe was gelernt: Sauerland ist die „DDR von Deutschland“ und die dortige Stadt Lüdenscheid für Kölner der Inbegriff des Provinziellen. Weise kommt aus Köln. Das Publikum, im Schnitt unter 40, kannte den liedermachenden Komiker vermutlich aus Fernseh-Comedy-Shows und wusste, was es erwarten konnte. Ich wusste es nicht. „Satirepop“ nennt Weise sein Genre. Jedenfalls gibt er auf der Bühne den Popsänger. Ist aber wohl als Persiflage gedacht. Im Blick hat er Apokalypse, Pandemie, Badekappen, SUVs, Mansplaining, den Personal Coach, toxische Männlichkeit, Twitter, die depressive Freundin, das vergessene Passwort oder die Herausforderung, mal das Handy aus der Hand zu legen („Ohne Smartphone aufs Klo“). Unfreiwillig komisch ist das eingespielte Video mit Friedemännchen, dem piepsigen Mini-Klon des Künstlers. Dennoch, Weise kommt sympathisch rüber durch seine jungenhafte Art, etwa wenn er eine falsche Moderation korrigiert. Oder gehört das zur Show? Wie auch immer, die Zuhörer amüsierten sich, applaudierten, sangen mit. Alles in allem also Friede, Freude, Satirepop? Pop? Weiß ich nicht. Satire? Nein, das nicht. Dafür war es zu nett. (Wolfgang Leyn)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Ass Durs „Quint Essenz“ (Kupfersaal am 19.10.2022)

Ein recht amüsanter Abend wurde geboten von Florian & Dominik Wagner, den beiden musizierenden und frech witzelnden Brüdern. Gerade die Bruderbeziehung macht das Rollenspiel so schön und lässt viele Dialog- und Wettbewerbsbrücken entstehen, über die das Publikum sich gern führen lässt – und der Weg ist mit Lachen, Schmunzeln und bester Unterhaltung gepflastert. Ass-Dur lässt natürlich auf Musik schließen: Piano, Blockflöte und Geige wird aufs Vortrefflichste beherrscht und vielseitig dargeboten. Klassisch, modern, Pop oder Rap darf´s sein, – kreativ werden Stile der Genre umgewandelt, allseits bekannte Songs umgetextet, man bewundert dies als absolutes Ass-Meisterstück, meist in fröhlichem Dur. Vierhändiges Geigen-/Klavierspiel am Schluss erntete neben allem Anderen dann auch satten Beifall des zur Hälfte gefüllten Kupfersaales. Den Zuschauern gefiel die dramaturgisch geschickt gesteigerte Show ausgesprochen gut.

Interaktion mit dem Publikum gab es oft und geschah gekonnt. Spontane Elemente brachten hier ebenso viel Heiterkeit hervor wie geplante Programmteile wie „Chorsingen“ des Publikums, auf das Florian oder Dominik den ihnen unbekannten Song als erster erraten würde … Alle Zuschauer dachten sich dazu während der Pause allseits bekannte Lieder aus und dann sangen diese ALLE in „lalala-Melodie“ vor! Mit zehn spontanen, aus dem Publikum zugerufenen Begriffen wurde zudem durch Florian & Dominik in der Pause ein sehr guter, lustiger Song komponiert. Ein Garant für Freudenausbrüche! Sehr gelöste Stimmung im Saal, sehr charmante Künstler – welch reizender Zeitvertreib! (Anja Kral)

… über Simone Solgas „Ihr mich auch“ (Pfeffermühle am 19.10.2022)

Die Münchner Kabarettistin mit ostdeutschen Wurzeln teilt schlagfertig nach (fast) allen Seiten aus, ohne Angst vor Beifall aus der falschen Ecke. Politikerschelte – Worte des Bundespräsidenten wie aus dem chinesischen Glückskeks, Kanzler streichelt Gasleitungs-Turbine, Politikerinnen verdanken die Karriere eher der Frauenquote als ihrer Fachkompetenz, demokratischer Sozialismus als vegane Blutwurst. Dazu Medienschelte. Doch am meisten nerven die Leute. Durch rücksichtsloses Verhalten, durch Heuchelei, etwa wenn die Mädels von Fridays for Future nach der Demo von Mami mit dem Auto abgeholt werden. Man spürt, die Künstlerin wäre gern stolz auf das Land, in dem sie lebt. Doch für die angemaßte Vorreiterrolle in der Welt fehlt hier leider das Personal. Und gegen Herzinfarkt werden homöopathische Medikamente verordnet. Das Programm zeichnet aus meiner Sicht ein treffendes Bild der Stimmung im Land, doch der Erkenntnisgewinn hält sich in engen Grenzen, zu viel Oberfläche, zu wenig Tiefe. Am überzeugendsten finde ich die Schlussnummer, bei der Solga in die Rolle der polnischen Altenpflegerin Kasia schlüpft, die mit deutlichen Worten die Abschiebung der Ältesten ins Heim beschreibt. (Wolfgang Leyn)

… ein zweites Mal über Simone Solgas „Ihr mich auch“ (Pfeffermühle am 19.10.2022)

Die Veranstaltung ist ausverkauft – die Zuschauer kennen Simone Solga von ihren TV-Auftritten (u.a. „Die Anstalt“, „Spätschicht“, „NUHR im Ersten“) und dem youtube channel „SolgaTV“. In Leipzig aufgewachsen, ist sie mit dem vertrauten Dialekt schnell „eine von uns“ und spricht an, was die Menschen derzeit im Land beschäftigt. Ihre Aussagen sind direkt und schonungslos – keiner kommt ungeschoren davon, unfähige Politiker, heuchlerische Wähler, versagende Kirchen, abgehobene Medien, Junge und Alte. Im Laufe des Abends fühlt sich wohl jeder mal ertappt. Ihre Vergleiche und Metaphern treffen ins Schwarze. So beschreibt sie Deutschlands neuen Trendsport – das „Vorreiten“! Wir wollen Klassenprimus sein in der Energiewende, Klimapolitik, Flüchtlingspolitik, Corona-Politik … aber leider wirkungslos und keiner folgt. Mir bleibt das Zitat von Warren Buffett als Sinnbild für die momentane Situation im Kopf: „Bei Ebbe sieht man, wer ohne Badehose im Wasser steht.“ (S.B.)

… über Roy Reinkers „Hör auf Dein Bauchgefühl“ (Sanftwut am 19.10.2022)

Heimspiel für Roy Reinker, der junge Bauchredner aus Bad Lausick ist seit zwei Jahren Leipziger und die Sanftwut mittlerweile seine feste Bühne. Bereits nach fünf Minuten jubelt der volle Saal im Stehen, der Entertainer hat die Menge im Griff. Roy Reinker ist dabei der Liebe und Feinsinnige, seine Puppen übernehmen die gröberen Scherze und fahren ihrem Chef sogar in die Parade. Er solle beispielsweise nicht so schnell weiterreden, sondern die Leute erst einmal auslachen lassen. Das ist die perfekte Illusion von jeweils zwei Personen auf der Bühne – Roy Reinker bringt nacheinander neun Charaktere auf die Bühne, vier vor der Pause, fünf danach. Und wie bei einer Show alter Finesse kommen auch ein Kostümwechsel und gekonnt eingepasste Filmeinspieler zum Einsatz. Abwechslung und fröhliche Unterhaltung gehen hier Hand in Hand mit echtem Sächsisch (Paradebeispiel Siggi, Foto) und einem sicheren Gespür fürs Publikum. Nicht nur wegen des erneuten Einsatzes bei den RTL-„Puppenstars“ vor wenigen Tagen dürfte folgende Vorhersage nicht allzu gewagt sein: Roy Reinker kommt noch ganz groß raus! (BEH)

… über den Kupferpfennnig-Wettbewerb (academixer-Keller am 19.10.2022)

Im 9. Nachwuchswettbewerb der Leipziger Lachmesse, dem Kupferpfennig“, wetteiferten Christine Zeides, Marie Diot und Bermuda Zweieck um den Sieg, moderiert und geführt von der gestandenen Kabarettistin Anke Geißler und Christoph Walther. Marie Diot, musikalisch unterstützt von Fabian Großberg, widmet sich den  Problemen des Alltags und der ewigen Liebe und das auf oft augenzwickernde sympatisch-alberne Weise. Ihre Performance  ließ Talent und Potential erkennen. Man darf auf ihre kabarettistische Zukunft optimistisch gespannt sein. Ganz anders Christine Zeides, die ihre durchaus wichtigen und dringenden Fragen zur Gegenwart und ihre daraus resultierenden Forderungen an das Verhalten der Menschen sehr ernsthaft, mahnend, auch vorwurfsvoll, keinesfalls augenzwinkernd vorträgt. Leider kam ich mir zu oft oberlehrerhaft belehrt und auch von oben herab behandelt vor – Ihr das nicht erkennende und sich falsch verhaltende Publikum und ich die (All)wissende und richtig Handelnde. Gleichwohl, Christine Zeides hat etwas zu sagen, sollte aber auch daran denken, das Publikum „mitzunehmen“. Genau das machen Daniel Gracz und Fabian Hagedorn als  Bermuda  Zweieck mit ihren satirischen Liedern und pointierten Chansons. Die Beiden sind von den drei Bewerbern um den Kupferpfennig am weitesten auf der Leiter zum Kabarettisten gestiegen. Man darf sich auf ihren Auftritt als Sieger des diesjährigen Wettbewerbs im kommenden Jahr bei der Lachmesse freuen. Sie lieferten die beste Leistung ab. (U.G.)

Pressemitteilung

Bermuda Zweieck gewinnen den „Kupferpfennig“-Wettbewerb der 32. Lachmesse, Daniel Gracz und Fabian Hagedorn konnten die meisten Stimmen – sprich „Kupferpfennige – für sich verbuchen

Zum 9. Mal ging am 19. Oktober 2022 im Rahmen des 32. Leipziger Satirefestivals der Kabarettnachwuchs-Grand Prix über die Bühne des academixer-Kellers. Der Newcomer-Wettbewerb ist inzwischen ein wichtiger Termin im Lachmesse-Kalender. Gastgeberin Anke Geißler begrüßte auch diesmal wieder drei vielversprechende Neulinge, die mit ihren Darbietungen überzeugten: Christine Zeides, Kabarettistin aus Berlin, Marie Diot, die gekonnt Musik und Quatsch miteinander verband, sowie Bermuda Zweieck: Daniel Gracz und Fabian Hagedorn, die nach eigener Aussage Lärm für gehobene Ansprüche machen. Das Publikum im ausverkauften academixer-Keller honorierte alle Wettbewerbsbeiträge mit viel Beifall, entschied sich aber letzten Endes für die Herren von Bermuda Zweieck. Sie erhielten die meisten der kupfernen Pfennigstücke, die das Publikum vergab. Das Preisgeld im „Kupferpfennig“-Wettstreit – 100.000 Cent -wird von der Urkrostitzer Brauerei gestiftet. Kabarettist Christoph Walther führte wie gewohnt witzig durch den Abend. Der Gewinn des Kupferpfennig-Wettbewerbs bedeutet für die Neulinge Gewinn in doppelter Hinsicht – der Sieger wird mit seinem Programm auch für einen Abend bei der Lachmesse 2023 gebucht. Vorjahressieger Jakob Schwerdtfeger präsentierte sein aktuelles Programm „Ein Bild für die Götter“ am vergangenen Montag im Kabarett Sanftwut (siehe unten Rezension vom 17.10.).

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über den Tod und sein „Best of“ (Kupfersaal am 18.10.2022)

„Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds …“ Nein. Der Tod ist nicht groß. Nicht sehr jedenfalls. Aber lustig ist er, und das Publikum ist seins an diesem Abend. Der Tod gibt alles im gut gefüllten Kupfersaal, um sein mieses Image aufzupolieren. Dafür hat er auch einen Imageberater hinzugezogen, sagt er. Daher erfährt man an diesem Abend so einiges Persönliches über den Tod. Er ist verantwortungsbewusst: doppelt geimpft, fünffach geboostert und genesen obendrein. Ein sicherer Tod also. Er kümmert sich, das beteuert er immer wieder, um uns, das Publikum – zumindest aber um unsere Lachmuskeln. Er spielt Flöte, singt und tanzt – mit Hüftschwung auch. Der Tod ist Papa. Wer hätte das gedacht …

Offenbar ist Der Tod talentierter als man gemeinhin annimmt. Zum Beispiel fotografiert er. Besucht Städte und Städtchen, die ihm „Kunden“potential bieten, weil sie so schöne Namen tragen wie Husten, Halbhusten oder Sterbfritz. Alles im Bild festgehalten natürlich. Oder aber auch, sagen wir, unvorteilhaft angebrachte Beschilderungen. Beispiel gefällig? Seniorenheim / Krankenhaus / Friedhof (in dieser Reihenfolge von oben nach unten). Ja, ja, Der Tod hat Humor. Freut auch er sich sehr über die eigenen Gags. Das macht ihn sympathisch. Aber einsam ist er doch. Das spürt man. Denn er hat Mauzi – seine rechte Hand mit zwei Styroporkugeln als Augen. Mit ihr (oder ihm) kann er trefflich philosophieren. Im Publikum stellt das natürlich niemand in Frage. Man möchte sich ja nicht unbeliebt machen beim Tod …

Er hat viel zu erzählen – wenn auch mit seines Standes untypisch hohem Stimmchen – aus seinem Leben, von seinem zuweilen anstrengenden Job und ist dabei ausgesprochen unterhaltsam. Nicht nur der Tod sorgt sich dabei um Gäste, die kurz vorm Totlachen sind. Er möchte ja auch nicht gleich alle mit sich nehmen. Im Gegenteil, zwei willkürlich ausgewählten Gästen im Publikum gibt er beim Quiz die Chance auf mehr Lebenszeit. Beide gewinnen. Sensendori ein Jahr, eine Woche und einen Tag, Knochensplittertommy (im echten Leben wirklich Tatortreiniger) immerhin acht Tage. Alles Spaß natürlich. Aber dass Der Tod sein Publikum bittet, ein wenig in den bereitstehenden Spendenschädel zu geben, dessen Inhalt er aufstockt, um damit monatlich soziale Einrichtungen zu unterstützen, ist schon aller Ehren wert. Das ist in diesem Falle auch kein Scherz, sondern echtes Engagement!

Der Abend endet spektakulär-unspektakulär mit fünf aufblasbaren Gummisensen, denen er zeitlupenartig die Luft ablässt. „Einfach mal Luft ablassen“ eben. Das ist verwirrend und meditativ zugleich. Auf die Idee muss man erstmal kommen. Wer der Tod aber wirklich ist, darüber möchte er in der Öffentlichkeit bis zuletzt nicht sprechen.  Dieses letzte Geheimnis soll ihm jedoch gegönnt sein. (SR)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Jakob Schwerdtfegers „Ein Bild für die Götter“ (Sanftwut am 17.10.2022)

Knapp 50 Leute sind in die Kunstklasse Jakob Schwerdtfegers am Montagabend gekommen, um den studierten Kunstgeschichtler und selbsternannten Vertretungslehrer zu sehen und zu hören. Den Künstler freut das sichtlich. Müssen doch in Zeiten wie diesen Veranstaltungen mangels Publikums abgesagt werden. Aber diese hier nicht! Zum Glück und zur Freude aller Anwesenden. Schwerdtfeger glänzt von Anfang an mit Präsenz und Energie. Er zieht intelligent-amüsante Vergleiche und freut sich mit seinen Gästen an den eigenen Pointen. Zu recht! Er plaudert munter über die Mona Lisa und warum sie so guckt, wie sie guckt, lästert trefflich über die Wichtigtuer bei Ausstellungseröffnungen, erzählt von Begebenheiten aus seiner Zeit im Museum und welchen aus seinem Leben im Allgemeinen. Aber immer kehrt er zurück zu seinem zentralen Thema: der Kunst. Auch als Freestyle Rapper macht Jakob Schwerdtfeger eine manierliche Figur. Um das zu beweisen, ist das Publikum wieder zur Mitarbeit aufgefordert. Aus den zugerufenen, willkürlichen „Wort-Beiträgen“ kreiert er seinen Rap. Ja, das kann er auch. Aber der stärkste Moment dieses Abends ist seine Hommage an die Kunst. In diesem Moment spürt man, dass Jakob Schwerdtfeger die Kunst liebt. Und lebt. Das macht Lust auf mehr. Auf mehr Schwerdtfeger, auf mehr Kunst! (SR)

… über Lothar Bölcks „(Der) Schleim (der) Spuren“ (Funzel am 17.10.2022)

Lothar Bölck nahm das Resümee seiner Überlegungen gleich vorweg: Die Erde ist krank – an Mensch. Und Bölck nimmt sich sowohl der Erde als auch ihrer Krankheit Mensch an. Was nach dieser Diagnose des Zustandes der Welt folgte, war ein Feuerwerk brillanter Gedanken, geistreicher Wortspielereien und einem Stakkato sich gegenseitig übertreffender Pointen. Bölck machte die „Leipziger Funzel“ mit teils bissigem Humor, immer scharf analysierend und treffsicher argumentierend, aber stets glanzvoll und, wie man es von einem Spitzenkabarettisten erwartet, von Bölck im Besonderen, zu einer hell leuchtenden Flamme der aktuellen Kabarettszene. Das Publikum belohnte  es mit begeistertem Szenenapplaus und mit rhythmischem Klatschen am Schluss. Bei seinem Vorschlag, die Steuer-ID in den Arm einzutätowieren, habe ich sicherlich und hoffentlich etwas missverstanden … (Ulrich Grüttner)

… über Maxi Gstettenbauers „Gute Zeit“ (Kupfersaal am 17.10.2022)

Eine „Gute Zeit“ trotz aller bösen Nachrichten verspricht Maxi Gstettenbauer in seinem aktuellen Programm. Und freut sich auf Instagram auf „sexy Party people“ in Leipzig. Dem Stand-up-Comedian und Moderator ist die Sympathie seines überwiegend jugendlichen Publikums im nahezu ausverkauften Kupfersaal sicher. Angestachelt von einem Pferd, das ihn auf seiner Autobahnfahrt aus dem rückwärtigen Fenster des Transporters anblickt, jagt der Niederbayer, der schon lange in Köln lebt, in einem zweistündigen wilden Ritt durch den alltäglichen Wahnsinn. Dabei nimmt der selbsternannte Nerd Tiktok und Talkshows ebenso aufs Korn wie Fitnesswahn und Familienbeziehungen. Und bietet sich mit einer guten Portion Selbstironie dabei als Zielscheibe an. Wer von einem Comedian tiefgründige Satire und geschliffene Worte erwartet, liegt daneben. Die Comedy-Fans im Saal quittieren Gstettenbauers Gag-Feuerwerk und seine Schlagfertigkeit mit viel Beifall. Dank dem Können des mehrfach ausgezeichneten Solo-Künstlers erlebt das Publikum einen Abend voller Spaß und Lachen. So sollte es laut Ankündigung sein … (PS)

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Thomas Reis‘ „Mit Abstand das Beste“ (Pfeffermühle am 16.10.2022)

Googelt man Thomas Reis, stiftet die Namensgleichheit mit dem Ex-Fußballer und Trainer zunächst wenigstens kurzzeitig Verwirrung. Aber da steht nun der Kabarettist und Autor Thomas Reis auf der Pfeffermühlenbühne. Allein, ohne Requisite. Das Publikum ist gut gelaunt und in froher Erwartung, was da kommen mag. Der Willkommensapplaus ist ein schönes Geräusch in den Reis’schen Ohren – nach zwei Jahren pandemiebedingter Abwesenheit. Und dann legt er los. Scharfzüngig, geistreich, mit intelligentem Witz geht es mit ihm durch die Themen, die bewegen: Europa, Putin, Bundeswehr, Bundeskanzler und sein Kabinett, Religion, Ehe, Frauenwahlrecht, Wutbürger, Veganismus, Seniorensport … Nie ist ein Thema zu lang und nie zu kurz. Die Überleitungen sind genial, die Wortspiele und Doppeldeutigkeiten ebenso. Hier spult keiner nur eben sein Programm ab. Einen Nieser im Publikum am Anfang der zweiten Halbzeit nimmt Reis gern zum Anlass, um mit der Pandemie abzurechnen. Und so geht es weiter mit den großen und kleinen Aufregern des Lebens. Singen kann er übrigens auch, der Thomas Reis. Weil er immer wieder vergisst, dass er es eigentlich gar nicht kann, wie er behauptet. Dafür macht er das allerdings veritabel gut. Über zwei Stunden lässt er das Publikum teilhaben an seiner Sicht auf die Welt. Zwei sehr kurzweilige Stunden. Das Publikum dankt es ihm mit anhaltendem, verdientem Applaus. (SR)

… über die „Legenden“ Jürgen Becker und (nicht) Manfred Breschke (Pfeffermühle am 16.10.2022)

Geplant war ein Abend mit zwei „lebenden Legenden“ aus Köln und Dresden, also West und Ost. Statt des erkrankten Dresdners saß ein Leipziger auf dem Sofa neben Moderator Meigl Hoffmann – Gunter Böhnke. Lebende Legende auch er, war er mehr als ein Ersatz. Pointiert erzählte er vom Zustandekommen der academixer als zweites Leipziger Berufskabarett Mitte der 70er Jahre, vom ersten West-Gastspiel nach der Wende auf Einladung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft oder von Jürgen Hart, der mit dem Erfolg seines Hits „Sing, mei Sachse sing“ gar nicht glücklich war. Zu erfahren war Interessantes über das literarische Übersetzen aus dem Englischen, Böhnkes „anständigen“ Beruf. Zweiter Gast war der Kölner Jürgen Becker, bekannt von den „Mitternachtsspitzen“ im WDR-Fernsehen, die er 1992-2020 mitgestaltete. Er kam über die Sozialarbeit mit benachteiligten Jugendlichen zum Kabarett, setzte dem erstarrten Ritual der Prunksitzung beim Karneval provokativ die „Stunksitzung“ entgegen. Mit seiner Tochter unternimmt er Reisen auf dem legendären DDR-Moped „Schwalbe“, das als einziges in der Bundesrepublik schneller als 45 Kilometer pro Stunde fahren darf. So freundlich er im Persönlichen war, so scharf setzte er sich in einem Ausschnitt aus dem aktuellen Programm mit der Kommerzialisierung im deutschen Gesundheitswesen auseinander. Zum Gelingen des Abends mit den Kabarett-Legenden trug nicht unwesentlich Meigl Hoffmanns Gesprächsführung bei – uneitel, kollegial, kurzweilig. (Wolfgang Leyn)

… über Tom Pauls & Dr. Peter Ufers „Die Wörter der Sachsen“ (academixer-Keller am 16.10.2022)

Gelungner Lachmesse-Auftakt mit zwei bekennenden Saxisten – Schauspieler mit Leipziger Verwurzelung der eine, Journalist aus Dresden der andere. Gemeinsam präsentierten sie am Sonntagvormittag das sächsische Wort des Jahres 2022. Zum mittlerweile 15. Male hatten sie es aus zahlreichen Zuschriften ausgewählt. Diesmal machte ein Wort das Rennen, das viele Bedeutungen haben kann und damit für die Maulfaulheit der Sachsen steht (oder aber ihre Sprachökonomie): „Derre“ – Ausdruck u. a. für Trockenheit (man denke ans Klima), übertriebene Schlankheit (Bulimie) und Kälte (Heizkosten). Das Wort ist also zugleich von biblischem Ausmaß – „eine große Dürre wird kommen“ – und hochaktuell. Tom Pauls und Peter Ufer boten, mit Unterstützung von zwei Musikern an Klavier und Schlagzeug, eine gute Stunde unterhaltsame Wissensvermittlung rund um den geliebten oder verspotteten, auf jeden Fall aber höchst lebendigen Heimatdialekt. Im ausverkauften academixer-Keller hatten sie damit ein Heimspiel. War es doch vor fünf Jahrzehnten gerade dieses Kabarett um Jürgen Hart, Christian Becher, Bernd-Lutz Lange und Gunter Böhnke, das die Mundartdichterin Lene Voigt wieder auf die Bühne brachte. (Wolfgang Leyn)

Pressemitteilung

Die 32. Leipziger Lachmesse ist eröffnet: Zum Auftakt erhielt Michael Hatzius mit seiner Echse den „Leipziger Löwenzahn“

Im ausverkauften academixer–Keller feierte das Publikum den Lachmesse-Preisträger 2021. Michael Hatzius und seine Echse erhielten den „Leipziger Löwenzahn“ für das beste Programm des vergangenen Jahrgangs. Ausschnitte daraus zeigte der ausgezeichnete Puppenspieler und Comedian noch einmal, bevor er sich dann am 23. Oktober im Kupfersaal dem Lachmesse-Publikum mit seinem aktuellen Programm „Echsotherik“ vorstellen wird. Hatzius und seine Echse nahmen den Leipziger Löwenzahn, den die Leipziger Messe stiftet, aus den Händen von Dr. Anja Jackes, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Leipzig, und Dr. Andreas Knaut, Bereichsleiter Kommunikation und Unternehmenssprecher der Leipziger Messe, entgegen. Das 32. „Internationale Humor- und Satirefestival“ lädt vom 16. bis 23. Oktober 2022 zu insgesamt 75 Veranstaltungen ein. Auf elf Bühnen werden 125 KünstlerInnen aus zwölf Ländern zu erleben sein. Sie bieten Kabarett und Comedy, Lied und Musik, Gedichtetes und Improvisiertes wie auch Clownerie oder Puppenspiel.

Pressemitteilung

Die 32. Leipziger Lachmesse lädt ein

Bildmaterial & kurze Künstler-Vitas können Sie hier herunterladen: https://www.lachmesse.de/wp-content/uploads/2022/10/Lachmesse-2022_Bilder.zip

Das „Internationale Humor- und Satirefestival“ vom 16. bis 23. Oktober 2022 mit insgesamt 76 Veranstaltungen – auf elf Bühnen werden 126 KünstlerInnen aus zwölf Ländern zu erleben sein. Sie bieten Kabarett und Comedy, Lied und Musik, Gedichtetes und Improvisiertes wie auch Clownerie oder Puppenspiel. Michael Hatzius mit seiner Echse erhält in diesem Jahr den „Leipziger Löwenzahn“. Mit dem Anliegen der Lachmesse, für den Charme der Künste für die kleine Bühne zu werben, wurden seit Beginn des Festivals von 32 Jahren bestimmte Schwerpunkte gesetzt. Als Kabarettstadt hat Leipzig dabei das politische Kabarett in den Mittelpunkt gestellt. Künstler aus Ost und West sind gleichermaßen vertreten. Alle Generationen kommen mit ihrem besonderen Blick auf die Zeit zu Wort. Mit seiner Vielfalt in Inhalt und Form schafft das Leipziger Kleinkunstfestival immer wieder einen aktuellen Überblick über Trends und Neuheiten in der kleinen Form.

Angesagt haben sich bei dieser 32. Lachmesse u. a. Anny Hartmann (22. Oktober im academixer-Keller), Alfons (21. Oktober im Haus Leipzig), Thomas Freitag (18. Oktober im academixer-Keller) und Nessi Tausendschön (21. Oktober im academixer-Keller). In der Reihe „Legenden“ laden am 16. Oktober, dem Eröffnungstag, Jürgen Becker und Manfred Breschke in die Leipziger Pfeffermühle ein. In der Leipziger Funzel treten am 23. Oktober die „Spottvögel“, das Senioren-Kabarett unter der Leitung vom einstigen Pfeffermüller Klaus Dannegger, auf. Im Leipziger Schauspielhaus geht am 22. Oktober die traditionelle Ur-Krostitzer-Lachmesse-Gala über die Bühne mit Gästen wie Luna Tic, Horst Evers, Maxi Schafroth und Christoph Fritz. Désireé Nick führt durch das Programm.

Bei der Jürgen-Hart-Satire-Matinee am 23. Oktober im Schauspielhaus begrüßen Anke Geißler und Mathias Tretter Anny Hartmann, Alfons, Tom Pauls und Rolf Miller. Und nicht zuletzt wird Lisa Eckhart am 21. Oktober im Schauspielhaus aktuell über die Vorteile des Lasters reden. Die Newcomer der heiteren Disziplinen sind beim Kupferpfennig-Wettbewerb am 19. Oktober zu erleben. Dieses Mal treten Christine Zeides, Marie Diot und Bermuda Zweieck an. Debütantinnen und Debütanten sind in diesem Jahr Nizar (18. Oktober in der Leipziger Funzel), das Duo Mackefisch ( 18. Oktober, Moritzbastei), Friedmann Weise (20. Oktober, Moritzbastei) sowie die Damen von Luna Tic (20. Oktober, Sanftwut). Fischer und Jung gastieren am 19. Oktober in der Leipziger Funzel. HG Butzko und Lars Redlich sind im Centralkabarett zu erleben und bei den academixern steht am 17. Oktober der junge Unterhalter Sven Garrecht auf der Bühne. Die Leipziger Pfeffermühle weist besonders auf die Gastspiele von Thomas Reis (16. Oktober) und Holger Paetz (20. Oktober) in ihrem Haus in der Katharinenstraße hin.

Alle Informationen unter www.lachmesse.de

Das sagt die Publikums-Jury

Ehring, Kroymann, Perlinger

Die LPJ hat getagt und entschieden

Nach zähen Verhandlungen in freundlicher und ebenso witz- wie anekdotengeschwängerter Atmosphäre hat die Lachmesse-Publikumsjury (LPJ) unverzüglich ihre Wahl getroffen. Drei lobende Erwähnungen werden für den 2021er Jahrgang – wenn auch als undotierte Preise, so doch als Empfehlungen von Publikum zu Publikum – in die interessierten Teile der Welt hinausposaunt: Christian Ehring, Maren Kroymann und Sissi Perlinger (alphabetische Reihenfolge) haben ihre Sache unserer Meinung nach besonders toll gemacht. Kommt bald wieder nach Leipzig!

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über die Magdeburger Zwickmühle mit „Keine Lösung ist auch eine Kunst“ (Pfeffermühle am 24.10.2021)

Ja, es gibt sie noch! Kabarettistinnen und Kabarettisten, die ihr Publikum mit ihrer natürlichen Stimme überraschen. Die kein Headset und einen zweistündigen Soundcheck brauchen, um die 35 Menschen im Saal zu beschallen. Und es hat sich gelohnt, Marion Bach und Hans-Günther Pölitz (ein früherer Lachmessepreisträger) zuzuhören und zuzuschauen. Mit sparsamsten Requisiten und einfach vor dem Theatervorhang konzentrieren sich die Protagonisten auf die Inhalte und die verschiedenen Figuren des Programms. Das Publikum folgt ihnen, denkt mit und kommentiert auch manchmal. Meine Lieblingsstelle: Während des Entrees streiten Pölitz und Bach heftig über Genderfragen. Unweit meines Platzes fragt ein Mann die neben ihm sitzende Frau: Sind die verheiratet? Sind sie nicht, jedenfalls nicht miteinander. Aber ein wunderbares Bühnenpaar, das sich über Conférencen, Spielszenen und Lieder mit den Problemen des Staates und der Gesellschaft auseinandersetzt, dabei zu den Wurzeln der Übel vordringt und klare Kante zeigt, was vom Publikum mit zustimmendem Beifall goutiert wird. Thematisiert werden unter anderem Rechtsradikalismus in der Bundeswehr, der Zustand Europas (mit einer umwerfenden Marion Bach als etwas derangierte Europa), Feindbilder und der nur dem Gewissen verpflichtete Abgeordnete, dessen Gewissen sich dann doch dem monitär unterstützten Fraktionszwang unterwirft. All das wird mit sehr viel Spaß, aber auch mit ernsten Momenten dargebracht. Und nun wissen wir auch, was „milap“ ist. Die Türglocke, wenn die Tür wieder zugemacht wird. Mein Prädikat: Ganz besonders empfehlenswert. (Matthias Schwarzmüller)

… über Christian Ehrings „Antikörper“ (Haus Leipzig am 24.10.2021)

Er möchte einen Fernseher kaufen, den er aus dem Geschäft mitnimmt, zu Hause anschließt und sofort fernsehen kann – ohne das Gerät erst lange zu programmieren. Solcherart Alltagserfahrungen mit den Segnungen der modernen Technik riefen beim Publikum im gut gefüllten Haus Leipzig verständnisvollen Beifall hervor. Christian Ehring, der beim Düsseldorfer Kom()mödchen spielte und bei Extra 3 gerade zehnjähriges Jubiläum feierte, thematisiert in seinem aktuellen Programm „Antikörper“ die Widersprüche unserer Welt im Krisenmodus. Dabei kommt er am Corona-Virus, dass ohnehin die Kommunikation erschwert, ebenso wenig vorbei wie am  SUV-Fahrer, der bei seiner rasanten Fahrt durch den Wald Insekten, Kröten und einen Hirsch mitnimmt und danach findet, dass die Umwelt doch noch intakt sei. Die Freundschaft mit dem technikverliebten Kumpel Justus zerbröselt im Laufe des Abends wie die Gewissheiten im Alltag der Pandemie. Sollte man dennoch mit dem Andersdenkenden im Gespräch bleiben, um Konflikte zu lösen? Ehring gibt die Frage ans Publikum weiter, das amüsiert, aber wohl auch ein wenig nachdenklich nach Hause geht. (PS)

… über Johnny Armstrong mit „Gnadenlos 2“ (Moritzbastei am 24.10.2021)

Mr. Armstrong war als knallharter Comedy-Hooligan angekündigt – sein Programm sollte noch derber und tabuloser sein als „Gnadenlos 1“, welches ich zugegebenermaßen nicht kenne. Gesehen habe ich einen Künstler, der gerne auf die Bühne kam und auch aussah, als könne er sie rocken, jedoch im Fazit unvorbereitet schien und sich oft selbst rügte, wenn er dachte, ein Witz sei nicht gelungen, sprachlich oder in der Ausführung der Pointe. Dies stimmte oft gar nicht und er nahm sich selbst den Wind aus den Segeln. Johnny hatte ein Buch, in dem er seine selbst geschriebenen Programmelemente nachlesen konnte – das hat er leider zu oft getan, aus diesem Grund erlebten wir keinen Redefluss, sondern abgehacktes „Spicken“ und einzelne gute Gags, die sich aber leider nicht zu einer tollen Show entwickelten. Man hätte annehmen können, er ist aufgrund der Coronapause oder anderer Dingen „außer Übung“. Er verriet, dass er gerade Vater geworden sei, – vielleicht war der Auftritt einfach lebenszeitlich unpassend? Schade, denn man spürte deutlich, dass er Potenzial hat, eine Supersache abzuliefern, – wie gesagt gab es spontanes Lachen und auch guten provokativen Humor immer wieder zwischendrin, aber eine „runde“ Sache war es nicht und wer ihn gestern zum ersten Mal erlebt hat, geht vielleicht nicht wieder hin. Seine treuen Fans, mit denen ich in der Pause sprach, bestätigten, dass der Abend ein wenig schleppend verlaufe und sie ihren Johnny anders kennen: Als fleißigen, stetigen Redner, der wirklich mit tabulosem Humor aufwartet und extrem individuelle Comedy abliefert, was ihn zum Star machen würde. Die Themen auf seinem „Spicker“ sind auch tadellos und vielseitig und gut beleuchtet: Brexit, Historie (da auch Verhältnis Deutschland – Britannien – Irland), eigene Person und Familie, Wortwitz Englisch – Deutsch mit all seinen wunderbaren Übersetzungstücken, lustige Alltagssituationen … Ich wünsche mir, dass Johnny Armstrong noch einmal auftritt und dann gnadenlos konzentriert und gut sein wird. Ich geh da wieder hin. (Anja Kral)

… über Michael Hatzius und „Die Echse“ (Sanftwut am 24.10.2021)

Die Echse muss keine Geschichtsbücher lesen oder „History“ gucken, sie braucht sich bloß zu erinnern, denn sie war vom Urknall an dabei (da hat’s ihr die Ohren weggefetzt, weswegen sie keine Maske tragen kann). Sie ist sogar mit den Göttern im Skiurlaub gewesen! Allerdings kam da nichts raus. Mag sein, dass die Echse in mancher Ansicht ein wenig unmodern wirkt, altersbedingt, und nicht sonderlich charmant, aber witzig ist sie und schlagfertig, außerdem interessiert an Dialekten und fantasievoll in der spontanen Deutung unbekannter Wörter. Uns Menschen beobachtet sie seit Jahrtausenden. „Ihr verfolgt das falsche Konzept“, sagt sie. „Wenn sich einer im Recht fühlt, muss der andere automatisch im Unrecht sein.“ Michael Hatzius‘ Geschöpf plädiert u.a. dafür, dass wir uns kleinere Ziele setzen, erreichbare, es geht ins Publikum und holt mit Hilfe des Freiwilligensuchschweins den Fußballer Matthias auf die Bühne. Dort erklärt es ihm und den aufgekratzten Leuten im maximal gefüllten Saal wie Puppenspiel funktioniert. Super, eine Puppe führt Puppentheater auf! Sogar übersinnliches: „Ich bin ein Medium, Stimmen sausen durch meinen Kopf …“ Hatzius erschafft, obwohl er immer zu sehen ist, die perfekte Illusion – intelligent, unterhaltsam und relevant! (BEH)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Maren Kroymann & Band mit „In My Sixties“ (Kupfersaal am 23.10.2021)

Der Abend beginnt mit einem Geständnis: Das mit den Sixties stimme nicht mehr, sagt die Künstlerin, sie sei ja schon 70, genauer gesagt 72. Wer also sein Geld zurück wolle … Niemand wollte. Und hätte es auch schwer bereut. Maren Kroymann, gefragte Filmschauspielerin und Kabarettistin, ist auch als Sängerin und Entertainerin erste Klasse. Stimmlich souverän, zuweilen mit leiser Ironie, präsentiert sie Hits der 60er. Als pubertierendes Mädchen erlebte sie diese Zeit im spießigen Tübingen, dann als Austauschschülerin an einem US-College. Schlager, Schnulzen, Schmonzetten, die jemandem wohl nur in diesem Lebensalter so zu Herzen gehen. Die englische Popsängerin Dusty Springfield war für Maren Kroymann wie eine ältere Schwester, die sie gern gehabt hätte. Zwischen den Songs erzählt sie von den frauenfeindlichen Witzen ihrer Brüder, von den hilflosen Versuchen ihrer Mutter, sie aufzuklären über das andere Geschlecht. Geschichten, die viel vom Geist der 60er lebendig werden lassen. Zum Schluss gab’s langanhaltenden rhythmischen Beifall. „Heißt das, ich soll wiederkommen?“ Ja, unbedingt! (WL)

… über Wilfried Schmicklers „Es hört nicht auf“ (academixer-Keller am 23.10.2021)

„Wo geht es bloß hin?“, fragt der selbsternannte Botschafter für die Verfreundlichung der Welt in den rammelvollen Academixer-Keller hinein und antwortet gleich selbst: „Weiter, weiter und immer so weiter – aber nicht zurück.“ Denn die pfiffigen Wähler haben eine putzige Entscheidung getroffen, woraufhin im Uniönchen nun erst recht der geistige Plumpsack umgeht und wir sogar bald noch wehmütig an die brave Raute Nimmermatt denken werden. Balladendichter und Schnellsprecher Schmickler hat jede Menge mitzuteilen und großartige Gedanken und Formulierungen zu bieten: In der Ära der Hochgeschwindigkeit bleibt keine Zeit für Probleme, lauert das Glück überall, ist Schuld am Ende nur ein Gefühl. Die, die aus den Tiefen ihrer Niedertracht auftauchen, soll der Teufel holen – ja, der will sie aber auch nicht. Freier Fall für freie Tüten! Nennen Sie Ihren Hund Bombe und gründen Sie graue Zellen gegen den Jugendwahn … Zwischendurch singt der Großkabarettist wie ein Chansonnier. Ich würde sofort auch ein Konzert von ihm besuchen! (BEH)

… über die Spottvögel mit „(W)Irre Zeiten“ (Funzel am 23.10.2021)

Neun Leute auf der Bühne und einer am Klavier – die Spottvögel zählen zu den zahlenmäßig größten Ensembles ihres Fachs. Sie sprechen hiesige Mundart, singen wie eine fröhliche Schar Schnäblinge und steigen in ihre „(W)irren Zeiten“ mit einem Corona-Lied ein. Es folgt eine kurzweilige Nummernfolge über alle Probleme auf unserer „Müllmurmel“ (diese Bezeichnung für die Erde hatte ich noch nie gehört) mit lokalen Schwerpunkten. In welchem anderen Programm taucht jemals ein Hauptmann von Connewitz auf, wird von Engelsdorf, Grünau, der Eisenbahnstraße und der Domholzschänke gesprochen? Lauter Pluspunkte für das Seniorenkabarett, das sich mit diesem Beinamen nicht selber alt machen, sondern lieber Nachbarschaftskabarett nennen sollte. Hier wird der Teufel aus der Mädlerpassage, Mephisto, zu neuem Leben erweckt, erfährt das Publikum, dass der kleinste gemeinsame Nenner der größte Blödsinn sein kann, und erlebt, wie uns Niemand aus der Krise führt, Günther Niemand! Zwischendurch erklingen populäre Bühnen- und diverse Schlagermelodien, so dass man fast tanzen möchte. Und dann muss der Opa zum Tierarzt … Alles in allem sehr sympathisch und wunderbar in der Leipziger Wirklichkeit angesiedelt, zum Schluss gab es gelbe Rosen und Applaus ohne Ende. (BEH)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Matthias Machwerk mit „Frauen sind schärfer als Mann glaubt“ (Funzel am 22.10.2021)

Ein vielfach in der Comedy strapaziertes Thema wird erfrischend und mit viel Witz aufgegriffen. Dabei werden viele Themen aus diesem Minenfeld wie Alter, Ängste, Fernsehen, Mode und Trends und natürlich auch Sex aus beiden Blickwinkeln betrachtet. Dabei kommen die Frauen wider Erwarten sehr gut weg, obwohl Seitenhiebe wie „Männer gehen ins Kaufhaus, um einzukaufen, Frauen …“ nicht fehlen. Die Pointen kommen Schlag auf Schlag und treffen den Nagel auf den Kopf. Man(n, aber auch Frau) kommt aus dem Lachen nicht mehr raus. Beim Thema Alter stellt Machwerk fest, dass die Alten immer jünger werden und er nach dem Joggen so schlimm aussieht, dass er froh ist, niemanden von „Körperwelten“ zu treffen. Beim Thema Fernsehen lässt er sich sehr treffend zur Sinnhaftigkeit vieler Fernsehformate wie „Bauer sucht Frau“ (früher haben die Bauern mit der eigenen Zicke, heute müssen sie eine suchen) oder „Frauentausch“ (der Mann meldet seine Frau in der Hoffnung an, sie kommt nicht wieder) aus. Zum Schreien der Vergleich der „Geissens“, Unterschicht sieht Millionären beim Geldausgeben zu, mit einer Ente, die sich zu Weihnachten eine Kochsendung ansieht. Das Programm ein Gewehrfeuer an Gags, das Mann und Frau gesehen haben muss. (AG)

… über Weltkritik deluxe mit „Chip Chip Hurra“ (Central Kabarett am 22.10.2021)

Dass Chips kleine gefährliche Biester sind, weiß jede Couch-Potato spätestens dann, wenn die Federung versagt. Die anderen Chips können viel mehr und sind überall. Auch im Lühmlich-Roboter und im Sumpf-Pretzsch-Avatar, den traditionellen Bühnenfiguren von Bettina Prokert und Maxim Hofmann, die wir nach dem spacigen Entree wiederbekommen und deren persönliches Konfliktpotenzial frisch ist wie im ersten Programm. Und so beginnt der Streifzug durch dieses chip-verseuchte Alltagsleben mit Siri, Alexa und Cortana, allesamt Sprachassistenten. Dass sie eine weibliche Stimme haben, liegt daran, so erfahren wir, dass sie von Männern ausgedacht wurden, die sich von Frauen bedienen lassen wollen. Uns begegnen Gedichtgeneratoren, selbstfahrende Autos, Emojis und auslaufende Gesundheitsabos.

Warum ist der Mann, der da vorm Bäcker steht, so traurig? Er hat sich umgedreht und festgestellt, dass er keine Follower hat. Eine wunderbare Idee, die Begrifflichkeiten der Social-Media-Welt auf echte Menschen zu projizieren. Das Programm lebt von den Konflikten Mensch-Elektronik und Mensch-Mensch bzw. Mann-Frau. Dazu kommt eine wiederholte Interaktion mit dem Publikum, und die Mitmachaufforderungen werden auch von einem Großteil der Zuschauer (umpf) und Zuschauerinnen (ahh) angenommen. Es macht allen Spaß, sich über Glasfaser im Erzgebirge ein Bild zu machen, wenn der Holzmichel singt: Ja, er lädt noch, er lädt noch, er lädt noch. Oder wenn Lernsax auf die Schippe genommen wird. Wenn Sie wissen wollen wie, gehen Sie hin, es lohnt sich. Es ist ein aktuelles Programm, auch im Klassiker-Lied „Ich krieg die Krise“. Gibt es was zu meckern? Das gibt es in jedem Programm, für mich gab es einige längere Pausen in den Dialogen und Übergängen, das schadet dem Spannungsbogen. Insgesamt tut das dem Programm aber keinen Abbruch, also auch hier mein: Besonders empfehlenswert. (Matthias Schwarzmüller)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… ein zweites Mal über „Slam vs. Kabarett“ (Kupfersaal am 21.10.2021)

Was immer die Erfinder des Wettstreits „Slam vs. Kabarett“ bewogen hat, dieses Format aus der Taufe zu heben, wurde mir bis zum Schluss nicht ganz klar, aber das mag eher ein Problem des Verfassers sein, denn das Publikum war begeistert und der Abend ein Erfolg. Und speziell war es auf jeden Fall. Das lag aber nicht am Moderator Jonas Greiner, der eher flach und selbstgefällig versuchte,  die Stimmung anzuheizen. Bereits hier wie bei seinen späteren Auftritten dachte ich fast wehmütig an die Moderatoren des „Kupferpfennigs“, die gekonnt agierten, aber dabei stets das Grundprinzip einer jeden guten Moderation  beachteten, die Akteure und nicht sich selbst  in den Mittelpunkt zu stellen. Hervorzuheben ist die gekonnte und einfühlsame musikalische Begleitung auf dem Flügel von Brian Völkner. Die Verbindung von Klavier und Trompete war sicher originell, seine Stärke liegt aber im Klavierspiel.

Der erste Slammer, Hank M. Flemming, versuchte mit holprigen Reimen und Wiederholungen Zeitkritik zu üben, wirkte mitunter theatralisch ohne zu überzeugen. Der Kabarettist Matthias Reuter textete sehr originell und war super am Klavier. Der russische Slang beeinträchtigte jedoch die Verständlichkeit. Vivien Wenzel trug ihren nachdenklich machenden Text authentisch und engagiert vor. Die kurzfristig für einen verhinderten Kabarettisten eingesprungene Anke Geißler war mehr als ein Ersatz. Sie spielte ihre Rolle sensibel und überzeugend. Eine Performance, die einfach stimmte. Die Slamerin Annelie Herwig schließlich performte sehr gut und  war zeitkritisch und persönlich sympathisch. Kabarettist Götz Frittrang stieg mit tagesaktuellem Bezug ein und war dann erfrischend und bühnenpräsent. Er war der verdiente Sieger, auch wenn ich mir da auch (nicht statt!) Annelie Herwig oder Anke Geißler hätte vorstellen können. Was den Moderator betrifft, wäre weniger mehr gewesen. Er war sehr groß, aber an Größe fehlte es ihm. Und dass man in eine  Wertungsabstimmung per Beifall reinquatscht, geht gar nicht. (Ulrich Grüttner)

… über „Slam vs. Kabarett“ (Kupfersaal am 21.10.2021)

Das Spezial der Leipziger Lachmesse bot einen fulminanten Wettkampfabend, ausgefüllt mit haufenweise Witzattacken, starken Bühnenpräsenzen, ernsthaften Tönen, Musik und Liedkunst. Alles war dabei, es war spannend im voll besetzten Saal. Jonas Greiner (siehe auch „In Voller Länge“ am 20.10.) moderierte und tat dies ziemlich gut – ohne Langeweile, im Gegenteil noch zwischendurch beschenkt durch seine eigenen kabarettistischen Anekdoten, kam man kurzweilig durch den mehr als zweistündigen Abend. Unterstützend wirkte hier Brian Völkner, der für musikalische Kurzweil sorgte. Er spielte am Flügel und Trompete (zeitgleich!) und sang uns ganz wunderbar Evergreens. Sechs vorher nicht bekannt gegebene Künstler/innen traten in der ersten Programmhälfte auf: 3x Slam und 3x Kabarett. Alle waren bemerkenswert oder herrlich, es sei aus diesem Grund zu allen etwas gesagt.

Zuerst Slam: Hank M. Flemming las uns seinen sehr krassen Text, über dessen Wortspielereien man spontan lachen musste, über dessen Inhalt man aber auch nachdenken sollte. Er hat eine sympathische Ausstrahlung, – war bereits Preisträger zahlreicher Slam-Wettbewerbe und beherrscht sowohl die poetische Wortgewalt des Slam als auch die Bühnendarstellung, die jedes Publikum flasht. Dann Kabarett: Matthias Reuter brillierte mit seinen Ausführungen zur Weltverschwörung der russischen (nicht amerikanischen!!!) Hacker, also Igor, Boris, Doris und Dimitri (glaube ich) regieren die Welt in allen Einzelheiten und großen Gefügen per PC und Hotlines. Dies erzählt er uns singend mit russischem Dialekt am Flügel spielend. Es ist ein Fest, ihm zuzuhören.

Es folgte Slam: Vivien Wenzel, eine junge Leipziger Soziologiestudentin mit angenehm natürlicher Ausstrahlung, die zuerst angibt, sehr aufgeregt zu sein und gar nichts über sich selbst sagt, vielleicht, um ihren Text, ihr Anliegen in den Vordergrund zu stellen. Dies ist dann auch sehr ernsthaft, tief und toll gesprochen, geschehen. Sie setzt die Entfaltung des individuellen Menschen in den Vordergrund, wirbt für die Wiederentdeckung von wirklicher Bedeutung / Miteinander in den Dingen und Gesten, vor allem im Kleinen und dann im Großen. Ich war bezaubert und sage zu diesem Poetry Slam in Reinkultur: Weiter so! (War meine Preis-Favoritin in der Slam-Gruppe.) Nun erlebten wir wieder Kabarett: Anke Geißler als Sunny, eine nicht mehr ganz junge, absolut „durchgechillte“ Frau, die mit einem enormen Joint auf die Bühne kommt, weil sie sich ausgeschlossen hat und nun den (vielleicht perversen?) Hausmeister sucht, damit sie wieder in ihre Wohnung und ans Feuerzeug für den Joint gelangt. Wir erfahren vom bedingungslosen Grundeinkommen, dass ihre Eltern für ihr nunmehr sechstes Studium bezahlen und ihrem Unverständnis gegenüber Anfeindungen dagegen, da sie ja schließlich tolerant gegenüber allen ist, die arbeiten gehen wollen … Ausgezeichnetes Theater mit grandioser, unbeschreiblicher Körpersprache und Stimmarbeit der Anke Geißler, tolle Schauspielerin, die man u.a. in den academixern sehen kann.

Jetzt als nächste Vertreterin des Slam: Annelie Herwig aus Delitzsch. Sie punktet beim Publikum mit großer Freude über ihre Auftrittsmöglichkeit an diesem Abend, schildert dann eine Menge subjektive, familiäre Erinnerungen, um diese dann zu einer gesellschaftlichen Allgemeinsicht zu führen, die ankommt, wie man später sieht. The last, but wirklich not the least im Bereich Kabarett: Götz Frittrang. Schwarzer Anzug, Lockenpracht, man ist gespannt … Allein mit dem Mikrofon, minimalistischst in seiner Bewegung, erweckt er sofort mit seinem sehr natürlichen und energetischem Geplauder jeden im Publikum zu noch mehr Leben. Zunächst huldigt er dem Idealismus der Slamer/innen, die ihm wie Babies vorkommen, was ihn sich alt fühlen lässt. Er macht das ganz charmant und es passt so gut. Er erzählt dann von allen möglichen Dingen, die er während Corona getan hat (ausmisten und verschenken wollen, X-mas-Sterne basteln im Sommer, kochen nach Youtube), und man kann nur aufpassen, dass man vor lauter Lachen nicht durchdreht oder einpullert. Er redet einerseits so banal von alltäglichen Sachverhalten, wird dann aber auch mal ungehalten und meckert fast hysterisch rum, jedoch immer mit gleichbleibender Miene und wie wir es inhaltlich sicher alle von uns kennen. Er hat eine ganz spezielle Dynamik der Heiterkeit im Saal erzeugt, auch ich wollte immer mehr hören.

Alsdann wurde die Abstimmung zur Wahl der Finalisten durchgeführt. Absolut toll war, dass die Zuschauer allen Akteuren heftigen Beifall zollte. Letztlich fiel die Wahl ziemlich knapp auf Annelie Herwig und Götz Frittrang. In der zweiten Programmhälfte gaben die Finalisten nochmals etwas zum Besten. Beide blieben ihrem bisherigen „Kurs“ treu. Frittrang zum Thema „Weltuntergang“, aber bitte nicht so betroffen, sondern als Happening, Herwig mit einer Erinnerungsstory / Anprangerung gegen das Ausgegrenztwerden. Gewonnen hat dann nach nochmaligem Abstimmen Götz Frittrang, völlig verdient. Und belohnt wurden wir im Saal mit einem weiteren genialen Frittrangschen Exkurs zu den baulichen Gegebenheiten von Bamberg als durchaus persönliche, gar sexuelle Herausforderung. Über seinen Preis, eine Flasche Gin, freute sich der Gewinner sehr. Auch wenn Slam und Kabarett nicht eigentlich vergleichbar und somit vs. sind – beides war ein Genuss und es war wunderbar. Die tolle und demokratische Stimmung im „Kleinstaat“ Kupfersaal hat sehr dazu beigetragen. (Anja Kral)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Martin Frommes „Glückliches Händchen“ (Pfeffermühle am 21.10.2021)

Das Programm dreht sich um Menschen mit Handicaps und den Umgang der „Anderen“ damit. Hier greift er auf eigenen Erfahrungen zurück. Die anfängliche Befangenheit nimmt Martin Fromme mit der Frage, wieviel Behinderte im Raum sind und anfängt, die Brillenträger durchzuzählen. Das führte mich zu der Frage, wo fängt eine Behinderung an. Das wird von Martin Fromme direkt erklärt: Teilverlust des Penis 50% Behinderung, Totalverlust der Vulva 40% Behinderung. Weswegen er auch gleich über  Gleichberechtigung sinniert! Mittels Anekdoten, Wortspielereien, aber auch über die auf die Leinwand projizierten Fotos von skurrilen Behindertenrampen und -toiletten führt er dem Publikum vor Augen, wie unbedacht „Nichtbehinderte“ im Umgang mit den körperlichen Einschränkungen ihrer Mitmenschen umgehen, dass aber auch zuviel Aufmerksamkeit bzw. der Fokus auf die Behinderung nerven kann. Dies passiert nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit sehr viel Humor und Selbstironie. Absolut herausragend sind die Gesangseinlagen, bei denen Martin Fromme auf bekannte Melodien neue Texte zu Behinderungen / Einschränkungen, wie z.B. über das Wachkoma auf dem Oldie „Lola“, singt. Nicht nur, dass die Texte absolut gut passen und komisch sind, bringt Martin Fromme diese stimmgewaltig an den Mann oder die Frau. Einfach nur bombastisch! (AG)

… über Nils Heinrichs „Deutschland einig Katerland“ (Blauer Salon am 21.10.2021)

Es gibt wenige Kabarettprogramme, in denen so oft von Bad Langensalza gesprochen wird. Aber das ist die Heimat von Nils Heinrich, von dort aus begann sein Weg durch das neue Deutschland. Ausgangspunkt – der 1990 frisch erworbene Facharbeiterabschluss, feierlich überreicht zusammen mit der Kündigung. Da stellen sich schon Fragen. Hätte man nicht vieles besser machen können bei der Schaffung eines neuen Landes, statt erstmal alles abzuschaffen im Osten, was dann später wieder neu erfunden wurde. Eine beeindruckende Liste. Seine Stationen in den gebrauchten Ländern sind Hannover (wie Halle-Neustadt, nur hochdeutsch), Kassel (das kann nicht Westdeutschland sein, wahrscheinlich ist es Schmalkalden) oder Stuttgart (hier gibt es keine Salzkartoffeln). Nils Heinrich versteht es, seine politischen Ansichten und seine Alltagsbeobachtungen pointiert an die Zuschauer zu bringen und spricht auch vermeintliche Unwörter klar aus (nein, die N- und Z-Wörter sind nicht dabei), und sei es nur, wenn der Reim es halt erfordert. Immerhin hat er auch gelernt, dass die neuen behaarten Kartoffeln, die es auf einmal gab und die von der Kartoffelsorte Kiwi stammen, nach dem Rasieren und Kochen auch nicht besser schmecken. Und wir haben gelernt, dass die früheren Mönche ihre Fleischgelüste während der Fastenzeit in einem Teig getarnt haben und die Maultaschen in Schwaben deshalb Herrgottsbscheißerle genannt werden. Ein persönlich-politisches Programm, das den Zuschauern viel Spaß gemacht hat und auch durch die Abwechslung von Conférence, Lied und gelesenen Geschichten nie langweilig wurde. Prädikat: Sehr empfehlenswert. (Matthias Schwarzmüller)

… über Tutty Tran mit „Augen zu und durch“ (Funzel am 21.10.2021)

Kann man Alltagsrassimus weglachen? Sicher nicht. Darf man Witze darüber machen? Tutty Tran darf es. Und er kann es. Der gebürtige Berliner mit vietnamesischen Eltern erzählt in seinem ersten Soloprogramm Geschichten. Vor allem über sich und seinen Vater, der nur schlecht Deutsch spricht. Zum Schreien komisch die Situation, als der Sohn im Supermarkt den Einkaufszettel abarbeitet, auf dem der Vater die gewünschten Waren so notiert hat, wie er sie akustisch verstanden hat. Das als Rollenspiel dargeboten, sorgt für Lachsalven in der ausverkauften Leipziger Funzel. Überhaupt lebt der Abend vom ständigen Wechsel zwischen Berliner Dialekt und schwer verständlichem Deutsch mit stark vietnamesischem Akzent. Immer wieder verwickelt der Comedian auch Besucher ins Gespräch. Berührungsängste kennt er offensichtlich nicht, nicht vor Klischees und Tabus. Nicht vor schlechten Witzen. Letztere haben mich nur wenig gestört, das übrige, deutlich jüngere Publikum gar nicht. Ohne die hiesige Comedy-Szene genauer zu kennen, behaupte ich, dass es für sie ein großes Glück bedeutet, dass dieser Tutty Tran nicht in einem Asia-Restaurant am Wok steht oder mit Obst und Gemüse handelt. (WL)

… über Matthias Egersdörfers „Nachrichten aus dem Hinterhaus“ (academixer-Keller am 21.10.2021)

Sein größter Wunsch ist es, „freundlich zu sein“. Warum dies nicht gelingen kann, wird in Egersdörfers knapp zweistündigem Programm deutlich. Sein Protagonist regt sich rasend über alles und alle auf, die sein Hinterhaus, das er kaum verlässt, bevölkern: die Frau Schlitzbier, die ihren ständigen Husten „als rhetorisches Mittel“ einsetzt, die Mitbewohner, die ihre Möbel nach dem Rumpelfaktor aussuchen, die Großfamilie mit den plärrenden Kindern im 1. Stock oder den „Schleimer mit den Pianistengriffeln“ aus der Dachgeschosswohnung. Doch all das Lästern über die Nachbarn offenbart letztendlich nur, dass er selbst die menschliche Katastrophe ist. Sein geringes Selbstwertgefühl verdankt er der „Muada“, die hier als Handpuppe wiederaufersteht und ihn mit dem Satz „Buab, für dich ist gesorgt“ ins Lebensunglück und Selbstmitleid stürzte. Sein Verhältnis zu Frauen ist nicht einfach. Die Floskel „Kann ich noch etwas für Sie tun“ seiner Apothekerin, die ihm die Antidepressiva verkauft, führt ihn auf abwegige Gedanken. Herrlich wird sein Zorn, wenn im Klassikradio plötzlich ein „junger Rettich“ auftaucht und ihn duzt, wo er doch ein festes Bild einer altehrwürdigen Ansagerin bzw. eines Ansagers hat, die ihre Texte mit goldenen Federhaltern schreiben. Matthias Egersdörfer, bekannt weit über seine Fürther Heimat hinaus, stellt in seinem aktuellen Programm den ganz normalen Wahnsinn im Miteinander bloß. In fränkischer Mundart, grantelnd unfreundlich, aber „sauguad“. (PS)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Jonas Greiners „In voller Länge“ (Kupfersaal am 20.10.2021)

Nr. 1: Wenn jemand wie Jonas Greiner auf die Bühne kommt, dann fällt eine Sache ziemlich schnell auf: Er ist groß, ziemlich groß. Mit 2,07 m bezeichnet er sich selbst als „Der größte Kabarettist Deutschlands“. Aus gutem Grund hat er also nach Betreten der Bühne noch mal einen Schritt zurück gemacht, damit die vorderen Reihen keinen starren Nacken bekommen. Er hat uns aber nicht nur auf sehr humorvolle Art und Weise dargeboten, welche Fragen er aufgrund seiner Größe gestellt bekommt (Ja, natürlich ist er auch Profi-Basketballer!). Wir erhielten auch Einblicke in seine Heimat Thüringen, in sein Reisetagebuch aus New York und in sein Geschichtsabitur. Alles ist von einer Menge Witz geprägt und nie langweilig. Bei ihm kommen die Pointen am laufenden Band und jeder ist mal dran. Somit war es wenig überraschend, nach Ende der Veranstaltung viele fröhliche Gesichter im Publikum zu sehen. Jonas Greiner macht Spaß, GROSSEN Spaß! (MH)

Nr. 2: Vor zwei Wochen fragte ich mich, was möchte ich mir 2021 als Jurorin der Publikumsjury anschauen? Natürlich sollte es eine gestandene Größe der Kabarettszene und dazu etwas Junges, Frisches sein. Jonas Greiner, 24 Jahre (könnte mein Sohn sein), Thüringer, Preisträger des Leipziger Kupferpfennigs 2020, bis September dieses Jahres Mitglied der Linken und des Kreistages Sonneberg – das klang interessant. Und genauso wurde dieser Abend auch: unterhaltsam, witzig, keinesfalls oberflächlich. Ob Jonas Greiner über seine Größe (207 cm) und die damit einhergehenden Anspielungen oder die Besonderheiten seiner Heimat Thüringen im Ranking mit anderen „bedeutenden“ Bundesländern plaudert – es gibt viel zu lachen. Die oft zitierte „unpolitische Jugend“ nimmt – sicher auch aufgrund seines eigenen Engagements – einen großen Teil des Programmes ein. Seine Analysen sind spitzzüngig und haben mich animiert, auch im Nachgang des Abends noch Jonas Greiner zu sehen und zu hören (Empfehlung an dieser Stelle sind seine „Monatsrückblicke“). Der Saal war gut gefüllt und das Alter gut gemischt (inkl. eines Besuchers mit einem herrlichen Lachen, welches Künstler und Publikum fasziniert verstummen ließ). Ein Geheimtipp ist Jonas Greiner sicher nicht mehr, aber meine absolute Empfehlung auf jeden Fall! (SB)

… über den Kupferpfennig-Wettstreit (academixer-Keller am 20.10.2021)

Der Kleinkunstwettbewerb „Kupferpfennig“ ist seit Jahren fester Bestandteil der Leipziger Lachmesse und nicht ein Bestandsteil schlechthin, sondern einmal mehr eine echte Bereicherung. Die souverän agierende Gastgeberin Anke Geißler und die launisch humorvolle Moderation von Christoph Walther sorgten von Anbeginn an für eine freudig erwartungsvolle Stimmung im sehr aufgeschlossenen Publikum. Für beste Stimmung war also gesorgt und der rote Teppich für die drei Kupferpfennig-Aspiranten Lea Hieronymus, Fee Brembeck und Jakob Schwerdtfeger ausgerollt. Die nahmen die gute Stimmung im Zuschauerraum auch sofort auf und ließen sich so auch zu guten und sehr guten Leistungen inspirieren. Es  wurde erfrischend getanzt, gerappt, gesungen und Geschichten erzählt. Dass Neue in der Szene – ist man das nach zehn Jahren noch? – Neues und nicht zuletzt auch sich selbst ausprobieren, ist erlaubt , ja geradezu zu erwarten. Das gab dem Abend eine besondere Note. Ach so, wie ging der Wettbewerb denn aus? Das war eigentlich zweitrangig. Jakob Schwerdtfeger belegte in der Gunst des Publikums den ersten Platz vor Fee Brembeck. Es hätte auch umgekehrt  sein können. Lea Hieronymus fehlt es vermutlich im Vergleich zu den beiden Mitbewerbern an Erfahrung. Aber mit ihr wird sicher zu rechnen sein. Insgesamt für alle Beteiligten ein sehr gelungener Abend. (Ulrich Grüttner)

… über Christoph Brüske mit „Willkommen in der Rettungsgasse“ (Funzel am 20.10.2021)

Der Mann kommt aus dem Erzbistum Köln, wo gerade ein geflügeltes Wort umgeht: „Muss mal kurz austreten“. Als rheinische Frohnatur mit überzeugender Bühnenpräsenz und Lieddichter mit Gesangstalent hat er das Publikum schnell auf seiner Seite. Keines der Themen, die uns gerade beschäftigen, lässt er aus – Missbrauchsskandal, Lockdown, Bundestagswahl, Digitalisierung, Verschwörungsmythen, ausufernde Bürokratie, politisch korrekte Sprachregelungen, ökologisch korrektes Essen – karnevals- wie kabaretttauglich auf die Bühne gebracht. Mir haben sich zwei Wortschöpfungen eingeprägt: Schwarzfahrer sollte man besser als „People of no ticket“ bezeichnen, Obdachlose als „Location freelancer“. Außer Wortwitz und Musik setzt Christoph Brüske in seinem Programm auch großformatige Fotos ein. Sie zeigen u.a. unfreiwillig Komisches wie das Hinweisschild „Schnelltest – heute hinten“. Die Bilder werden dabei nicht mit einem Beamer an die Wand geworfen, sondern sind altmodisch auf große Papptafeln geklebt, die auf einer Staffelei stehen. Dazu passt Christoph Brüskes Traum, anstelle von Newsletter und Liveticker die wichtigsten Nachrichten von einem berittenen Boten ins Ohr geflüstert zu bekommen … (WL)

… über Justus Krux mit „Kommste noch auf nen Kaffee mit hoch …?“ (Central Kabarett am 20.10.2021)

Wenn man als Jura-Studierender an die Uni kommt, dann freut man sich, wenn die Einführungsvorlesung ins gewählte Fachgebiet nicht trocken dargeboten wird, sondern der Ritt durch die Paragrafen des BGB  ein lockerer ist. Da wünscht man sich Herrn Krux, der es versteht, die Stolperfallen des Alltags mit den Augen eines Juristen zu sehen. So erfährt man, dass man das Warndreieck auf den Beifahrersitz legen soll, damit man den Kofferraum mit der Leiche nicht öffnen muss, oder auf der Flucht in eine Hüpfburg springen soll, da die Beamten während des Dienstes ihre Schuhe nicht ausziehen dürfen. Krux befasst sich auch mit der Berufsgruppe der Informatiker, die es in seinen Augen nicht leicht haben im Leben, das ihnen außerhalb der eigenen vier Wände seltsam vorkommen mag, oder auch mit der gendergerechten Sprache (wie ist ein herrenloses Damenfahrrad zu bewerten?). Die Schönheit der Sprache an sich findet er im BGB, das vom 01.01.1900 stammt und woraus er etliche sprachlich gelungene Paragrafen zitiert. Eine Betrachtung von Literatur und Philosophie dieser Zeit gerät leider nicht ganz schlüssig, Friedrich Nietzsche kann man gelten lassen, aber der kleine Brecht war erst 22 Monate alt und von geringem Einfluss auf die literarische Szene vor 121 Jahren. Seine Eingangsfrage, warum die Leute Anwälte nicht leiden können, hat er für mich nicht beantwortet, sein humoristischer Vortrag dafür aber Spaß bereitet – und Studenten werden Krux dankbar sein für die Motivation, wenigstens bis zum kleinen BGB-Schein durchzuhalten. (Matthias Schwarzmüller)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über HG Butzko mit „Aber witzig“ (Central Kabarett am 19.10.2021)

Der Mann steht am Biertisch und freut sich – über den nach Corona endlich wieder möglichen Auftritt. Er ärgert sich – über die Unverantwortlichkeit der Verantwortlichen, die uns regieren. Und er wundert sich – über die Vergesslichkeit der Leute. War da nicht noch was? Pkw-Maut, Wirecard, Cum Ex, Faxgeräte in den Gesundheitsämtern, Datenleck bei der elektronischen Patientenkarte … Wie andere Kabarettisten tut auch HG Butzko, was unsere Leitmedien viel zu selten tun: Er erklärt, was in dieser Gesellschaft gerade so (schief)läuft. Nicht alles und alle lassen sich dabei sauber in Schwarz und Weiß einteilen. Bill Gates etwa investiert in Unternehmen, deren Produkte Fettleibigkeit fördern. Zugleich gibt er Geld für die Weltgesundheitsorganisation. Das sei, sagt Butzko, als ob ein und dieselbe Holding Tretminen und Beinprothesen anbiete, Kapitalismus eben. Erlebt habe ich eine gute Stunde pointengespickte politische Bildung. Nebenbei habe ich gelernt, dass ein bestimmter Kraftausdruck in Gelsenkirchen etwas völlig anderes bedeutet als in Berlin. Fazit: Mein symbolischer Daumen zeigt nach oben. (WL)

… über Fischer & Jung mit „Innen 20 – Außen ranzig“ (Funzel am 19.10.2021)

Na, das war ein lustiger Abend! Guido Fischer und Björn Jung haben zur Begrüßung „schicke“ Schlüpfer mitgebracht, die sie dann doch nicht ins Publikum werfen. Ganz taktisch kitzeln die Beiden bereits am Anfang Beifallsstürme aus den Zuschauern heraus, bevor überhaupt ein Programm beginnt. Von Anfang bis Ende erheitern sie mit schnellen, witzigen Dialogen – interagieren und improvisieren dabei ganz oft mit dem Publikum. Die Spielfreude ist fast greifbar und Fischer & Jung können es auch. Wir erfahren die „Leiden“ der soeben 50 gewordenen Männer mit dem Weggang des Haupthaares versus wachsenden Haaren an anderen Ausgängen wie z. B. den Ohren … Wir lernen die Eltern der Beiden kennen, sehr signifikante Personen und natürlich zum Brüllen komisch. Auch zum Thema „Liebesleben“ wird ausgeführt. Während Fischer darüber nachdenkt, wie wieder etwas Schwung in seine langjährige Ehe eintreten könnte, hat sich Jung gerade in Nicole verliebt und fragt sich nach besten Umgarnungstaktiken. Selbstverständlich erhalten beide vom jeweils anderen unterstützende Ratschläge und dies lässt den Saal vor Lachsalven erbeben. Gelungene Comedy! (Anja Kral)

… über Ulan & Bator mit „Zukunst“ (academixer-Keller am 19.10.2021)

Im Programmheft der 31. Lachmesse steht bei Ulan & Bator: „Für Kenner“. Diese wissen, sobald die beiden seriösen Anzugträger ihre Strickmützen aufgesetzt haben, folgt ein großartiges „kabasurdes Abrett“, Nonsens mit Niveau, hohe Kunst mit tieferer Bedeutung. Dabei wechseln die ausgebildeten Schauspieler die Buchstaben in ihren Worten ebenso schnell wie ihre Rollen. Und weil sie Meister in Mimik, Gestik und Körperbeherrschung sind, begeistern ihre Figuren das Publikum im Nu. Ob es der wiederauferstandene Tänzer Nurejew ist oder der alte Käse, der im Sinne von Nachhaltigkeit vom Kühlschrankbesitzer vernichtet werden soll (was der nicht übers Herz bringt). Auch mit ihren schrägen Songs zeigen Ulan & Bator, dass Kabarett mit Anleihen bei Dada oder auch Loriot in „Herz und mind geht“ und somit „Zukunst“ hat – so der Titel ihres aktuellen Programms. Im academixer-Keller brach das Publikum spätestens beim bekannten Stuhlkonzert der beiden Herren, in dem ein Komponist sein Schnarchtrauma verarbeitet, in Begeisterungsstürme aus. Ich jedenfalls hatte einen wunderbaren auf- und anregenden Abend – und bleibe Fan von Ulan & Bator. Und ich hoffe, dass die beiden wahnwitzigen Kabarettisten gestern weitere Fans hinzugewinnen konnten. (PS)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Sissi Perlingers „Worum es wirklich geht“ (Pfeffermühle am 18.10.2021)

Nr. 1: Sissi Perlinger klingt hübsch und assoziiert bei mir Sekt trinken im bayrischen Wald bei Sonnenschein. Die Künstlerin ist sehr hübsch, fit wie ein Turnschuh und bescherte ihrem vollen Publikum einen ultra-unterhaltsamen Abend. Sie kredenzte Szenen in bayrischem Dialekt, ließ uns an ihren Ansichten zum zwischenmenschlichen Miteinander, zur politischen und gesellschaftlichen Situation teilhaben, wuselt dazu höchst aktiv über die Bühne  – und das Lachen bricht sich zu recht zahlreich und unaufhörlich Bahn. Sissi Perlingers musikalische Einlagen entlockten einem neben Amüsement stets ein großes WOW, da ihre Stimme gewaltig ist und ihre sich selbst begleitende Instrumentalhandhabung mit Gitarre und Fußtrommel ebenfalls bewundernswert. Sie ist seit 30 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera, absoluter Profi und kein bisschen langweilig, sondern frisch und urkomisch. Dabei war sie auch sehr nah am Publikum und alle folgten ihrer Aufforderung „Fresse schütteln“, denn das entspanne. (Das stimmt.) Nach dem Programm konnte man noch direkt mit der Künstlerin schwatzen oder eine CD günstig von ihr kaufen. Alles in allem eine wunderbare, verrückte, kluge Frau, die im Übrigen am Ende wirklich in einem Satz verrät, „Worum es wirklich geht“, aber das plaudern wir hier nicht aus … (Anja Kral)

Nr. 2: Ich gebe zu, als Sissi Perlinger ihr Programm damit begann, das Publikum zu Mitmach-Aktivitäten aufzufordern, die mir sehr fremd sind und verschiedenste Laute bis hin zu Affenlauten auszustoßen, hatte ich doch Zweifel, ob ich in der richtigen Veranstaltung sei. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass man von einer Kabarettistin bzw. einem Kabarettisten in kurzen TV-Auftritten begeistert, von einem ganzen Abendprogramm jedoch weniger angetan ist. Doch diese Zweifel beseitigte Sissi Perlinger schon im Ansatz, als sie nämlich nicht nur Affenlaute nachäffte, sondern ihrem Affen Zucker gab. Powerfrau pur! Bühnenpräsenz par Excellence. Sie redet, deklamiert, spielt, parodiert, singt, tanzt, begleitet sich instrumental selbst, animiert, regt und spricht das Publikum in bewundernswerter Weise differenziert und auf höchstem Niveau an. Ein Abend der Superlative! Sissi Parlinger ist – ja was ist sie denn? Im Lachmesse-Programm steht zu ihrer Performance nicht Kabarett oder Comedy, sondern  Entertainment. Ja, sie ist nicht einzuordnen, ist einfach alles: Kabarettistin, Comedienne, Schauspielerin, Sängerin, Animateurin. Und sie verfügt nicht nur über die künstlerischen Mittel, sie hat auch etwas zu sagen. Nach diesem Abend weiß wahrhaftig jeder „worum es wirklich geht“. In dieser Breite und Tiefe auf Höchstniveau würde der Leipziger Lachmesse eine mit dem Leipziger Löwenzahn geehrte Sissi Perlinger gut zu Gesicht stehen. (Ulrich Grüttner)

… über Johannes Hallervordens „Letzten Raucher“ (academixer-Keller am 18.10.2021)

Bei Johannes Hallervordens Leipzig-Premiere des Stücks „Der letzte Raucher“ wird der Protagonist von seinem Freund Dirk auf eine Party eingeladen. Soweit schön und gut, aber außer ihm sind ausschließlich Nichtraucher*innen eingeladen. Anfänglich ist er noch ganz stolz, den Balkon ganz für sich allein zu haben. Aber es kommt, wie es kommen musste: Die Gruppe verlässt nicht nur die Wohnung, sondern auch ihn ausgesperrt zurück. Alles zunächst halb so wild, schließlich gibt es guten Wein und anderthalb Packungen Glimmstängel. Dennoch – für den Raucher läuft der Zigaretten-Countdown. Während also Nikotin- und Promillewert bei ihm zunehmen, erzählt Hallervorden von den Tücken des modernen Rauchers: Von Automaten, die ihm keine neuen Packungen verkaufen wollen, vom Traumland eines jeden Rauchers, Rumänien, und von möglichen Rettungsszenarien, Hauptsache runter von diesem fürchterlich kalten Balkon (oder zumindest irgendwie zu neuen Zigaretten). Johannes Hallervorden hat uns auf überzeugende und witzige Weise gezeigt, wie hart es heutzutage sein muss, Raucher zu sein. Sein Auftritt motiviert uns also nicht wirklich, selbst zum Raucher zu werden. Umso mehr aber, ihn öfter auf der Bühne erleben zu wollen. (MH)

Das sagt die Publikums-Jury

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über die Herkuleskeule Dresden mit „Im Kühlschrank brennt noch Licht“ (Sanftwut am 17.10.2021)

Manches, was aus Dresden kommt, wird von den Leipzigern kritisch gesehen. Nicht so am Eröffnungstag der Lachmesse im Kabaretttheater Sanftwut. Ungefähr 100 Zuschauer erlebten zwei Stunden Ensemblekabarett vom feinsten. Die vier Akteure und Akteurinnen, oder sollte man besser Agierende schreiben, bringen die Anwesenden nicht nur zum Lachen, sondern durchweg auch zum Nachdenken über die aktuellen Themen der heutigen Zeit. Dabei beziehen sie eindeutige Positionen, die sicher nicht von allen im Publikum geteilt werden. Aber die Zustimmung war einhellig, vielleicht war auch der vielbeschworene Durchschnitt der Gesellschaft nicht präsent. Der Altersdurchschnitt war jedenfalls deutlich geringer als üblich. Worum geht es also? Politik wird ja in Deutschland hauptsächlich an Stammtischen, Kiosken oder auch im Späti gemacht (für alle, die ab 18  Uhr immer zu Hause sind, der Späti ist eine Spätverkaufsstelle mit dem nötigen Überlebenssortiment für Spätaufsteher, also Bier, Snacks, Kaffee und Bockwurst). Hertas Späti liegt günstig in Dresden am Rand von ca. 20 gleichzeitig stattfindenden Demos, deren Inhalte natürlich über Besucher oder im Hintergrund zu hörende Sprechchöre in den Laden schwappen. Verhandelt werden Themen wie AfD, Genderproblematik, bedingungsloses Grundgehalt, Internet („Erst kommen alle Idioten zu Wort, dann alle Vollidioten“), Influencer*innen, Biodiversität (chinesische Wollhandkrabbe und marokkanischer Lappenrüssler), Fremdenangst („Dresden den Dresdnern, Pirnaer raus!“). Dabei schlüpfen die Darstellerinnen und Darsteller in verschiedenste Rollen, die präzise und überzeugend auf die Bühne gebracht werden, sei es die Esoterikerin Xin Xin Mohana oder die rockende Rentnergang auf Bestattungsvorbereitungstour. Manches gerät dabei, vor allem im ersten Teil, etwas zu didaktisch-erzieherisch, da sollte man den Zuschauern (das generische Maskulinum gilt hier gleichermaßen für Personen aller Geschlechter) mehr Freiraum zum Nachdenken und Selbstdraufkommen einräumen. Das Abschlusslied des sehr guten Programms aus der Sparte politische Satire fordert zum Mittun auf: Wo man schweigt, da rede, wo man geizt, da gib und wo Dunkelheit ist, da mache Licht. Auf diese letzte Zeile folgt ein Black. Kann man machen, für mich war es eher unfreiwilliger Humor. Und hier noch ein Spruch aus dem Programm: „Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zu viel.“ Um dieses Programm muss man sich keine Sorgen machen. Prädikat: Besonders empfehlenswert. (Matthias Schwarzmüller)

… über Reiner Kröhnerts „GeTwitterCloud“ (Pfeffermühle am 17.10.2021)

Ein Programm mit 20 Mitwirkenden, alle in persona von Reinert Kröhnert. Ohne jegliche Requisiten, ausgenommen die Perücke bei „Mutti“ und das Basecap bei Trump, schafft es Reiner Kröhnert über Gesten, Bewegungen und natürlich die Sprache, dass der Zuschauer teilweise bereits vor dem ersten Satz die parodierte Person erkennt. Besonders hervorzuheben sind die Dialoge zwischen Honecker und Hitler, die in einer gemeinsamen Hölle schmoren und nach anfänglicher Abneigung feststellen, dass sie sich gegenseitig für das Erreichte Respekt zollen müssen und beginnen, sich zu duzen. Genial waren die Talkrunden von Michel Friedman und Rüdiger Safranski zum einen mit Boris Becker, zum anderen mit Dieter Bohlen und dann auch noch mit Daniela Katzenberger. Insgesamt ein Feuerwerk an Pointen durch Wortspielereien, falsch eingesetzte Fremdworte und der Komik der dargestellten Personen an sich. Den schnellen Wechsel zwischen den Parodierten bei den Dialogen und überhaupt im Programm meistert Reiner Kröhnert spektakulär. Natürlich tauchen da auch noch einige Politiker auf, z. B. Gerhard Schröder, der sich für meine Begriffe sehr treffend zu den drei Kanzlerkandidaten  äußert. Leider oder zum Glück ist der Umfang meiner Rezension limitiert, so dass ich nichts mehr verraten kann/darf und Ihnen nur noch empfehle, genießen Sie das Programm. (AG)

… über Tim Fischer mit „Zeitlos“ (Kupfersaal am 17.10.2021)

Derer die Fischer heißen, gibt es im Lande viel, auch im Musikbusiness. Allerdings sollte man dies nicht im Kopf haben, geht man zur Bühne, die gleich TIM FISCHER betreten wird. Man wird mit schönster Eleganz, warmem oder klug-bissigem Charme und einer derart delikaten Stimme belohnt, dass man sich wünscht, die Show würde statt zwei Stunden, mindestens fünf dauern. Tim Fischer, erfolgreicher Chansonnier und Schauspieler verzaubert seit 30 Jahren und auch an diesem Abend sein reich erschienenes Publikum und schafft spielend, dass man verliebt ist in seine seelenvollen Interpretationen alter Lieder, lacht, über meisterhaft witzig dargebrachte Songs und freut sich über Neues, – frische musikalische Stücke als auch die Erweiterung seines Musikensembles. War man bisher eher die Intimität einer Pianobegleitung gewohnt, gehören nun auch Kontrabass und Schlagzeug dazu, – durchaus oft jazzig. In der ersten Programmhälfte schienen sich Künstler und Publikum wohlwollend, aber eher verhalten zu begegnen. In der zweiten Programmhälfte wuchs die Stimmung jedoch in bekannte Sphären: der Applaus nahm nicht ab, teilweise standing ovation, der Künstler hat seine Zuschauer mitgerissen wie immer, Zugaben und später Autogramme gegeben, – im Ergebnis ein grandioser, emotionaler Abend, der mir persönlich 100 Prozent Beschwingtheit schenkte. (Anja Kral)

… über den Eröffnungsabend mit Lisa Eckhart (academixer-Keller am 17.10.2021)

Wieder einmal wurde die Lachmesse mit der Verleihung des Leipziger Löwenzahns an die Vorjahressiegerin, diesmal  Lisa Eckhart, für das beste Programm des Vorjahres („Die Vorteile des Lasters“), eröffnet. Eckhart, seit drei Jahren auch Wahl-Leipzigerin, bot Kabarett auf höchstem Niveau. Sie suchte und fand schnell Kontakt zum Publikum ohne sich anzubiedern – bei Eckhart undenkbar, stellte Verbindungen zu aktuellen Ereignissen (oder sollte man schreiben „Vorkommnissen“?) in Leipzig her, und bezog kritisch bis provokant Stellung zur Geschichte und neuesten Zeitgeschichte unsere Landes, nicht zuletzt auch zu menschlichen Verhaltensweisen. Eckhart philosophierte nicht abstrakt, sondern hatte immer das Publikum im Sinn, um es zum Mitdenken herauszufordern. Dabei machte sie – und das sehr erfolgreich – deutlich, dass es ihr weniger um Lacher als um den Finger in der Wunde geht. Und das Publikum ging begeistert mit. Manchmal brauchte es allerdings einen Moment, wenn Eckhart fast grenzwertig provozierend an eben diese Grenzen ging. Ihre Liebe zu ironisch-satirischen Balanceakten zog sich durch das ganze Programm, wie auch ihre klare positive Position zu Toleranz, respektvollem Umgang miteinander und Bewahrung unserer Welt vor allen Gefahren. So war ihr Programm nicht nur ein humoristischer und intellektueller Hochgenuss, sondern immer auch eine Anregung und Aufforderung zum Überprüfen des eigenen Denkens und Handelns. (Ulrich Grüttner)

Das sagt die Publikums-Jury

Leipziger Löwenzahn 2020

Große Mehrheit für Lisa Eckhart

(06.11.2020) Mit großer Mehrheit wurde Lisa Eckhart von der Jury der Lachmesse zur Preisträgerin des Leipziger Löwenzahns 2020 gewählt: Statt sich im Kleinklein des Alltags festzureden, hat Lisa Eckhart in ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“ die Distanz gesucht, dann infrage gestellt, irritiert wie auch provoziert und entlang der sieben Todsünden über den Nutzen des Lasters geplaudert. Für die einen ein Gedankenkitzel, für die anderen ein aktuelles Zeitbild.

Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über „Jugend forsch!“ (25.10.2020 Sanftwut)

Zum Abschluss der Lachmesse-Veranstaltungen trafen im Kabarett Sanftwut noch einmal vier Künstler*innen zusammen, die zur jüngeren Generation des Kabaretts gezählt werden dürfen. Zunächst kam aus dem Münsterland der Rucksack tragende Amjad auf die Bühne und witzelte treffend über die Tücken zwischen deutscher und arabischer Kultur. Sein großes Talent einer Donald-Duck-Imitation hat er erst ganz zum Schluss ausgepackt, davon gerne beim nächsten Mal mehr! Teil 2 an diesem Nachmittag übernahm Bella Lire, eine sympathische und wandelbare Frau aus Karl-Marx-Stadt, die so ziemlich jede Rolle einnehmen kann, von der kleptomanischen Berlinerin bis hin zu einer leicht abgedrehten Araberin. Zuguterletzt präsentierte sich das Bermuda Zweieck, ein Erfurter Duo, bestehend aus Fabian Hagedorn und Daniel Gracz am Klavier, das mit all seinem Charme, Witz und musikalischen Talent das Programm abrundete. Von allen gibt es hoffentlich in Zukunft noch mehr zu sehen und zu hören! (MH)

… über Archie Clapps „Scheiße, Schatz, die Kinder kommen nach Dir“ (24.10.2020 Central Kabarett, Blauer Salon)

Erziehungstipps von Archie Clapp sollte man nicht unbedingt befolgen. Über sie und all den anderen Quatsch, den der Berliner so von sich gibt, kann man aber herzlich lachen. Natürlich, sympathisch und lustig steht er auf der Bühne und erzählt von sich und seinen Kindern, von seiner Frau, dem Busfahrer und der Sozialarbeiterin. Dabei muss er nicht selten selber grinsen. Zaubern kann er auch noch und Kondome mit der Nase aufpusten. Als Kind, so erfahren wir, durfte er nur, wenn er krank war, Filme gucken. Wohin solche elterlichen Maßnahmen wohl führen? Seine Tochter haut ihm gegenüber heute Sprüche raus wie: „Stell keine Fragen, deren Antworten du nicht verkraftest!“ Wahrscheinlich ist sie hochbegabt. Wie Clapps Spezialgast Okan Seese, ein taubstummer Komikerkollege, auf seine Art und Weise. Er macht Witze mit Gebärden – ernsthaft. Und Archie Clapp übersetzt simultan. Verrückter Abend, viel gelacht! (BEH)

… über BlöZingers „Erich“ (23.10.2020 academixer-Keller)

Zu Gast bei den Academixern: BlöZinger, die Gewinner des deutschen Kleinkunstpreises 2019, das sind Robert Böchl und Roland Penzinger. Ich erwarte schwarzen Humor und Wiener (Linzer) Schmäh und passenderweise startet der Abend auf dem Friedhof. Erich, der Vater des ungleichen Brüderpaares, soll beerdigt werden. Die Trauergemeinde vervollständigen die tourettekranke Tante Trude, ihr Lach-Yoga-Guru Aschanti, der knasterprobte Onkel Alfons sowie die scheinheilige Tante Hertha mit ihrem schweigenden Gatten. Die beiden Komiker schlüpfen in diese Rollen mit perfekter Mimik und Gestik und wenigen Requisiten. Der Abend beginnt gemächlich, entwickelt sich jedoch dann zu einer herrlich schrägen, temporeichen und die Lachmuskeln strapazierenden Fahrt. Am besten sind die Momente, in denen die Protagonisten selbst nicht mehr wissen, wer sie gerade sind, und die Erkenntnis der Vielseitigkeit von Kaugummi. Im März gastieren BlöZinger wieder in Leipzig – nicht verpassen! (SB)

… über Michael Krebs‘ „#beyourselfie“ (23.10.2020 Moritzbastei)

Der bundesweit agierende „Independent“-Liedermacher Michael Krebs war sichtlich erleichtert, wieder vor Publikum auftreten zu können, auch „weil er süchtig nach Applaus ist“. Über sein Ego und menschliche Irrwege in der Coronazeit reflektiert er dann in den Anmoderationen auch etwas langschweifig im ersten Teil seiner Darbietungen. Sein beeindruckendes musikalisch-komödiantisches Talent kommt erst im zweiten Teil des Programms richtig zur Geltung, wo er auch die bekanntesten Eigenschöpfungen mit großer Hingabe präsentiert. Die auf guter Analyse menschlicher Handlungen und Eigenheiten wie der Egomanie beruhenden gehaltvollen Texte sparen eine sympathische Selbstironie nicht aus. Immer wieder hebt er dabei auf eigenwillige menschliche Verhaltensweisen in der gegenwärtigen Krisenzeit ab wie in dem großartig vorgetragenen Klopapiersong. In makaberer Ironie trägt er schließlich sein „Trostlied“ vor mit der Prophezeiung, „es wird alles nur schlimmer“. Die Zuhörer nehmen ihm das natürlich so nicht ab und gehen eher erheitert nach mehreren Zugaben von einem einprägsamen musikalischen Kabarettabend nach Hause. (JB)

über Roy Reinkers „Sketch Comedy mit Roy“ (22.10.2020 Sanftwut)

„Hat die Blume einen Knick, war der Schmetterling zu dick“, lässt Roy Reinker den niedlichen Zitronenfalter sagen, eine der Puppen, mit denen er das Kabarett Sanftwut rockt. Wir lernen noch das Original Siegfried (81) aus dem betreuten Wohnkomplex kennen sowie den grünen Drachen und den kleinen Kindergartenjungen, der gerade Läuse hat. Hohe Bauchrednerkunst kommt hier daher, sehr unterschiedliche Stimmen erzählen, meckern und lachen uns zu, interagieren mit Roy Reinker aufs Natürlichste. Die Themen und Gags sind sehr gut gewählt und mit den jeweiligen Puppencharakteren verflochten, der freche olle Siegfried ist schon der Knaller. Roy Reinkers eigene Bühnenpräsenz ist sympathisch und professionell, man wünscht ihm ganz viele Auftritte und eine überregionale Karriere. (AK)

Roy Reinker
Foto: Roy Reinker

über „Slam vs. Kabarett“ (22.10.2020 Kupfersaal)

Nr. 1: Wo die Grenze zwischen den Genres nun genau liegt, wurde bei „Slam vs. Kabarett“ tatsächlich nicht geklärt. Ist aber auch völlig egal, denn beide wussten auf ihre Art und Weise zu begeistern. Trotzdem konnte an diesem Abend nur ein Künstler die Flasche Leipziger Gin abgreifen. Für die Poetry Slammer traten in der ersten Runde Fabian Bublitz und Max Golenz an und sprachen über unangenehme Bewerbungsgespräche und die Schönheit der deutschen Sprache, wenn man sie doch auch mal wieder nutzen würde. Das Kabarett wurde vertreten durch die Wiener BlöZinger, die uns einen Einblick in die letzten Augenblicke vor ihrer Geburt gaben, sowie durch Jonas Greiner, der nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch durch seine schlagfertigen Sprüche auffiel. Letzterer musste sich zwar in der Finalrunde letztendlich Max Golenz geschlagen geben, doch hier haben allenfalls Nuancen entschieden. Beide landeten einige Treffer beim Publikum. Man kann wirklich nur hoffen, dass sie schon bald auf größeren Bühnen wieder zu sehen sind. (MH)

Nr. 2: Tolles Konzept, großer Unterhaltungswert. Der erste Slammer, Fabian Bublitz, hat mich allerdings nicht überzeugt. Die negative Grundeinstellung seines Textes, obwohl handwerklich gut gemacht, hat mir nicht gefallen. Das Ablesen des Textes machte es nicht besser. Anders der zweite Slammer, Max Golenz. Durch den freien Vortrag sowie die Körperhaltung zum Publikum hat er dieses mitgenommen. Mit seinen Texten hat er sowohl Ältere als auch die Jungen erreicht. Vor allem der Text zur Sprache war sehr anspruchsvoll und dennoch amüsant. Die Entscheidung zwischen den beiden Kabarettisten war sehr schwer bis unmöglich. Die Nummer der BlöZinger, Gespräch von zwei Föten im Mutterleib, war sehr lustig und kurzweilig. Jonas Greiner fing seine erste Nummer mit dem Naheliegenden an, seiner Körpergröße – 2,07 Meter. Die Sprüche sind größtenteils bekannt, zumindest denen, die den „Normalbereich“ auch verlassen. Er bekommt aber zum richtigen Zeitpunkt die Kurve und wechselt in ein anderes Thema. Am besten gefiel mir sein Stück im Finale zur Abifahrt und dem Abiball, kurz und knackig erzählt mit guten Gags. (AG)

… über Lisa Fitz‘ „Flüsterwitz“ (21.10.2020 Pfeffermühle)

Was sagt man zur Grande Dame des Kabaretts? Das Programm ist einfach nur toll, aber nix zum Ausruhen. Wie Lisa Fitz am Ende auch feststellt, raucht das Gehirn, wenn man versucht, jedem ihrer Gedankengänge zu folgen. Es gibt wahnsinnig viel Input zum Thema Meinungs- und Gedankenfreiheit, den Lisa Fitz auf eine sehr charmante und eloquente Weise an die Frau bzw. den Mann bringt, auch bei den Gesangseinlagen, bei denen sie stimmlich überzeugt und ebenfalls sehr gut zu verstehen ist. Gegen Ende des Programmes stellte ich mir die Frage, wie sie ihr Publikum mit den vielen offenen Fragen, die sie im Laufe des Abends aus allen Winkeln betrachtet, aber nicht beantwortet, entlassen will. Die Antwort kam mit der „Zugabe“, dem Song vom Kamel! Für mich die beste Lösung, dem Gehirn zunächst eine Pause zu gönnen und dann mit Abstand die Denkanstöße wieder aufzunehmen. (AG)

… über Desiree Nicks „Die letzte lebende Diseuse – Blandine Ebinger“ (21.10.2020 Kupfersaal)

Ach, die Desiree Nick, entweder man liebt oder hasst sie. Beide Lager müssen jedoch zugeben: „Oberdiva“ kann sie, und wer sie liebt, durfte sie als solche erleben in exzellenter Reinkultur. Spitzzüngig und bissig, bis weit unter eine Gürtellinie schwatzt sie über ihre Mitmenschen, Corona, das Altern, den Sex, ihren Job und steht dabei in zuerst weißem Fummel mit Engelflügelboa und im zweiten Teil in schwarzem, glitzernden Knappoutfit vor uns. Natürlich steht ihr das ausgezeichnet und sie ist kokett. Nicht zuletzt passt ihre Äußerlichkeit auch zum musikalischen Programm der Chansons aus den 1920er Jahren, das sie mit Bravur meistert, sowohl stimmlich als auch im Darstellen der Liedtexte, so komisch, sexy, verrückt zumeist.
Es ist ein Fest, ihr zuzuhören, wenn sie bar jeglicher moralischer Etikette oder unter Verletzung des allgemeingültigen guten Geschmacks Dinge oder Personen beschreibt – diese Härte allein bringt Lachen hervor. Zumeist folgt einer Grenzüberschreitung dann sogar eine weitere, manchmal kommt der erste Lachimpuls dann aus Ungläubigkeit: Wie kann sie nur…? Das Krasse ist jedoch: Sie hat meistens recht, sie hat trotz aller Direktheit Charme, da sie intelligent und ehrlich ist und über sich selbst ebenso gnadenlos schwadroniert. Den besten Humor verbreiten immer noch die Leute, die über sich selbst lachen können und zwar zusammen mit anderen. Alle Daumen hoch und bei nächster Gelegenheit Programm nicht verpassen! (AK)

… über die „Big Helga“ der Oderhähne (21.10.2020 Funzel)

Nr. 1: Dagmar Gelbke und Wolfgang Flieder haben eine kabarettistische Hommage auf die große Komödiantin, Schauspielerin und Entertainerin Helga Hahnemann präsentiert. Als langjährige jüngere Bühnenpartnerin Helga Hahnemanns ist vor allem die vitale Dagmar Gelbke dafür prädestiniert. Sie imitiert auch schauspielerisch gekonnt die Hahnemann, insbesondere mit deren gesanglichen Highlights. Wolfgang Flieder bleibt dabei oft nur die Rolle des Mitgestalters, in die er sich im Programmverlauf aber zunehmend überzeugender einbringt. Helga Hahnemann selbst verzichtete bei allem Können nie auf einen gewissen Klamaukfaktor, der allerdings in diesem Programm mit einer angedeuteten Stripteaseeinlage in Cancan-Position etwas überzogen wirkt. Fotoeinblendungen dokumentieren die wichtigsten Etappen dieses ungewöhnlichen Künstlerlebens und verdeutlichten die Intensität, mit der sich Helga Hahnemann ihrem geliebten Beruf gewidmet hat. Ihre zahlreichen Fans im Zuschauerraum honorierten die Darbietung der Oderhähne mit lautem Beifall. (JB)

Nr. 2: Eine Hommage an Helga Hahnemann – jeder, der sie aus dem TV kannte und wenigstens ein wenig mochte, wird begeistert sein. Dagmar Gelbke ist die ehemalige Bühnenpartnerin von Henne, und zusammen mit ihrem jetzigem Bühnenpartner Wolfgang Flieder holt sie uns ein Stück von der guten alten Zeit zurück. Helgas Sketche werden nachgeturnt, -gespielt, -gesungen, -getanzt, auch verändert. Es wird geschimpft, geträumt, geliebt, geweint, gelacht und Mut gemacht – dabei machen unzählige, originelle Kostümwechsel das Ganze perfekt. In den wenigen kurzen Verschnaufpausen für die Künstler gibt es besondere Ausschnitte aus Helgas Fernsehschaffen als Video. Für das Publikum gibt es kaum Verschnaufpausen – keine Zeit für Langeweile, heimlich auf Uhr gucken, zur Toilette schleichen, stattdessen zwei Stunden fesselnde Unterhaltung. Man spürt, hier wird kein Programm abgespult, hier sind die Künstler mit dem Herzen dabei – mit einem Stück, welches seit Jahrzehnten gespielt wird! Einfach KLASSE. Eine großes Danke für die schöne Zeit – und die Message an alle Menschen „Een kleenet Menschenkind …“ (Hit von Helga Hahnemann, gern mal anhören). (HBB)

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Sensation beim „Kupferpfennig“

Alle drei unter den ersten zwei!

Von den drei Teilnehmern und Teilnehmerinnen dieses heute (21.10.) im academixer-Keller ausgetragenen Lachmesse-Newcomer-Wettstreits kamen alle unter die ersten zwei! Andrea Limmer und Sven Garrecht teilten sich Platz 2, während Jonas Greiner aus der „Glasaugenstadt“ Lauscha Platz 1 allein belegte. Garrecht hatte die besten und unerwartetsten Reime zu bieten, Limmer die quecksilbrigste Ausstrahlung, aber Greiner plauderte einfach am schnellsten, am meisten und am lustigsten.

Frisch und frei moderierte Christoph Walther (Zärtlichkeiten mit Freunden), von dem auch die Zuschreibung „Glasaugenstadt“ stammt, Anke Geißlers (academixer) Urgroßmutter schob den Altersdurchschnitt lustig nach oben und die Ur-Krostitzer Brauerei zeigte lobenswert-sympathisches Engagement für den Kabarett-Nachwuchs.

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Matthias Deutschmann
Foto: Anja Limbrunner

Corona verhilft der Notwehr zur Premiere

Matthias Deutschmann am 22. Oktober bei der Leipziger Lachmesse

Darf man dem Schlechten etwas Gutes abgewinnen? – Die Corona-Krise hat den Betrieb im Düsseldorfer Kommödchen lahmgelegt. Das bedeutet unter anderem, dass Matthias Deutschmann dort nicht wie geplant auftreten kann. Die Planung für Leipzig hingegen hat Bestand, und so dürfen unsere Stadt und die seit gestern laufende Lachmesse die Deutschlandpremiere des neuen Programms „Notwehr für Alle“ feiern!

Über Mangel an Themen müsse sich heute kein Satiriker beklagen, meint Matthias Deutschmann. Nur lägen sie nicht mehr auf der Straße, sondern flögen uns um die Ohren. Der Badener ruft „Notwehr für Alle“ aus. Den Ernstfall dazu möchte man sich nicht vorstellen, zumindest nicht im echten Leben. Auf der Bühne allerdings wird’s interessant!

Cello, Schach, Olympia

Vor allem wenn einer wie Deutschmann mit vier Dekaden Erfahrung im Rücken der „Lust am Untergang“ von der Schippe springt. 1979 gründete er das Kabarett „Schmeißfliege“, zehn Jahre später mauserte er sich zum Solisten. Programme mit vielsagenden Titeln wie „Blinder Alarm“, „Einer flog übers Grundgesetz“ oder „Amokkoma“ folgten, und das Cello wurde zum ständigen Begleiter auf der Bühne.

Apropos Cello (und OBM Tiefensee + Olympia): 2002 hielt der einst selbst aktive Spieler Deutschmann die Festrede zum 125jährigen Bestehen des Deutschen Schachbundes. Die Feier fand im Neuen Rathaus in Leipzig statt! Damals bewarb sich unsere Stadt noch um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 und beschenkte alle Festakt-Teilnehmer mit einer Medaille aus Meißner Porzellan …

Leipziger Löwenzahn

Fünf Jahre darauf „beschenkte“ die Lachmesse den Kabarettisten mit dem Leipziger Löwenzahn. „Noch nicht reif und (doch) schon faul“, fühlt sich der nicht mehr jugendliche Bühnenkünstler bis heute. Im gleichnamigen Buch kann man es nachlesen. Alles gut und schön, was aber bringt „Notwehr für Alle“? Hochaktuelles politisches Kabarett – mit Analyse, Diagnose, Erkenntnisgewinn und Lachen!

„Es ist ein Jubiläumsprogramm, denn mittlerweile stehe ich seit 40 Jahren auf den Bühnen dieser rumorenden Republik der Komiker“, sagt der Meister selbst.

Matthias Deutschmann: Notwehr für Alle
22.10. 20 Uhr academixer-Keller

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Die Lachmesse-Publikumsjury …

… über Alte Mädchen (20.10.2020 academixer-Keller)

Nr. 1: Warum soll ich mir das antun? Fast jeder, der objektiv mit der Realität umgeht weiß, was Älterwerden bedeutet – das ist nichts für Feiglinge. Wozu dann ein Programm „Alte Mädchen“? Weil die drei „Mädels“ uns mit viel Humor zeigen, wie man diese Lebensphase anpackt – die Dinge, die man nicht ändern kann, akzeptiert, und erkennt: Das ist die beste Zeit meines Lebens (Phrase, aber is nu mal so). Natürlich können sie gegen die kleinen Gemeinheiten unserer Umwelt und den natürlichen Verfall keine Lösung empfehlen, aber hier lernst Du zu glauben, dass vieles gar nicht so schlimm ist. Wie im wahren Leben vergeht bei dem Programm die Zeit im Flug – es wird gelacht, deutlich auf deutsch gesungen, geklatscht, Sekt getrunken, zu viel gegessen, auch mal gelästert, gestritten, geweint – und getröstet. Eine Empfehlung für alle Betroffenen und die, die es mal werden wollen! Und bringt auch Eure Männer mit. Das wäre ein Schritt gegen die natürliche Abneigung gegen Männer – nicht nur im Bett – dann wird’s auch besser mit dem Scheißkerl-Tourette-Syndrom. (HBB)

Nr. 2: Drei flotte Damen im zweiten Frühling vom Pop-Kabarett aus Hamburg („Alte Mädchen“ ist eine humorige, karikative Untertreibung) zeichnen ein schnoddriges, tabufreies und teilweise sehr frivoles Psychogramm ihrer Altersgruppe. Da wird an Wunschvorstellungen, Gefühlswallungen und Befindlichkeiten nichts ausgespart. Doch es gibt auch nachdenkliche, leisere Passagen. Die Texte sind pointenreich und geschliffen, selbst wenn gelegentlich gekalauert wird. Mit komödiantischer Professionalität und gekonnter musikalischer Untersetzung wird das Ganze dem zumeist weiblichen Publikum präsentiert. Es applaudiert besonders bei Gesangsdarbietungen und Soloauftritten und nimmt die altersrelevante Selbstironie offenbar in keinster Weise übel. Das beweist auch die lautstark eingeforderte Zugabe, die den vergnüglichen Auftritt abrundet. (JB)

Nr. 3: Ich fand das Programm gut. Es behandelt die Themen der „alten“ Mädchen mit einem Augenzwinkern. Für Männer führen einzelne Teile des Abends unter Umständen zum Fremdschämen bzw. stoßen auf Unverständnis. Der Übergang in und aus den zwei nachdenklichen Passagen wurde für meine Begriffe sehr gut gemeistert. Die drei Damen haben sehr gute Stimmen, die Gesangseinlagen waren sehr gut zu verstehen. Durch die Präsenz der Drei auf der Bühne wurde ich von Anfang an mitgenommen. Langweile kam nicht auf. (AG)

… über A.F. Hofmeirs „Kein Aufwand“ (20.10.2020 Moritzbastei)

Hofmeir plaudert, liest und tubistet uns einen heiteren Abend zusammen, leicht und flockig, in bayrischem Dialekt. Mundart wird erklärt und übersetzt, dies sorgt schon für Erheiterung und zusätzlich Geschichten aus seinem Leben im Buch „Kein Aufwand“, erschienen 2016 bei btb. Fans von LaBrassBanda sitzen im Publikum, mit dem Hofmeir gerne direkt über alles Mögliche small-talkt, die Stimmung ist gut. Grandiose musikalische Beiträge per Tuba gibt es zahlreiche, ebenso grandios begleitet am Klavier von Tim, auf dessen Kosten der ein oder andere Gag geht. Jedes Musikstück ist ein „brasilianisches Liebeslied“, eins davon übrigens aus Ungarn mit dem Titel „Since you left“… (AK)

Alexey Mironov
Foto: Bert Hähne

… über Alexey Mironovs „Bon Voyage“ (20.10.2020 Central Kabarett)

Bevor uns Alexey Mironov mitnimmt auf seine Reise durch die Tücken alltäglicher und nicht ganz so alltäglicher Situationen, werden wir während ein paar einleitender Worte schon darauf vorbereitet, dass er einer der Künstler sei, die mit wenig gesprochenem Wort auskommen. Und in der Tat, bei so viel Mimik und Gestik, wie er auf die Bühne mitbringt, braucht es nicht viel Sprache und Requisite, sondern manchmal nur seinen unsichtbaren Bühnengast „Markus“, der uns seine beste Pantomime präsentiert. Und wenn der Clown Mironov doch etwas sagt, dann lacht das Publikum z.B. über seinen tollpatschig liebenswerten Ukulele-Spieler, der zwar nicht so gut mit der Ukulele umgehen kann, dafür aber so fließend Spanisch spricht, dass auch Muttersprachler so ihre Probleme hätten. (MH)

… über „Das Letzte aus den besten 6 Jahren“ von Zärtlichkeiten mit Freunden (19.10.2020 Sanftwut)

Das Programm hatte gute Gags, z.B. das am Hochhaus in Grünau unten stehende Kind, dem gesagt wird, dass der Kumpel nicht runterkommen darf, weil er das Falsche geklaut hat, oder die Ausführungen zum Radioprogramm, bei denen der Kabarettist immer mehr ins Sächsisch verfällt. Leider waren die Übergänge zwischen diesen Gags oft langatmig. Einen roten Faden gab es nicht. Gut haben Zärtlichkeiten mit Freunden die technische Panne des fehlenden Tons am Anfang pariert. Leider war aber im weiteren Programm dennoch einiges nicht gut bis nicht zu verstehen. Leider gab es kaum bis keine Interaktion mit dem Publikum. Wenn dann schrappte diese knapp an der Beleidigung. Alles in allem hatte die Truppe ihren Programmtitel wohl zu wörtlich genommen. (AG)

… über Chin Meyers „Leben im Plus“ (19.10.2020 academixer-Keller)

Das Publikum war begeistert von einem heiteren, witzigen, aber auch sehr anspruchsvoll intelligentem Programm. Vermeintlich ernste Themen vermag Chin Meyer einfach, aber sehr unterhaltsam zu vermitteln. Qualitätsvolles politisch-satirisches Kabarett. (RM)

… über Matthias Reuters „Wenn ich groß bin, werd‘ ich Kleinkünstler“ (19.10.2020 Moritzbastei)

Nr. 1: Groß ist er geworden und Kleinkünstler, weil er Germanistik studiert hat und die Fahrkünste nicht für den Taxischein reichten. Ein Glück! Auch, dass er es aus dem Risikogebiet Ruhrpott zu uns geschafft hat. Leider ist aufgrund der Corona-Bestuhlung nicht erkennbar, wie viele Besucher da sind und sich gemeinsam mit mir amüsieren über den Blues vom NRW-Abitur und dessen honorige Absolventen Pofalla und Lütke-Daldrup; einen aberwitzigen Dialog unter Jugendlichen auf dem Düsseldorfer Bahnhof oder dem in wunderbarem Dialekt vorgetragenen Song über russische Hacker. Reuter entlässt uns nach diesem kurzweiligen Programm in die kühle Leipziger Nacht mit dem Zitat seiner Ärztin: “ Wenn Sie einen Beruf hätten, würde ich Sie krankschreiben.“ Wenn er wieder nach Leipzig kommt, würde ich nochmal hingehen. (SB)

Nr. 2: Matthias Reuter ist wirklich nicht besonders groß, aber hiermit ist nur die Körpergröße gemeint. Seine Ausstrahlung ist groß! Daher ist er schon jetzt ein sehr, sehr vielseitiger Kleinkünstler. Gleich zu Beginn bringt er das Publikum mit einem eher banalen Witz über das Maskentragen zum Schmunzeln und öffnet alle Türen für einen unterhaltsamen, lustigen Abend. Es folgt ein live gespieltes Kabarettprogramm über aktuell-politische Themen und persönliche Erlebnisse, verpackt in grandiose Wortspiele. Seine Songs begleitet er selbst mit Klavier und Gitarre. Unterhaltung auf hohem Niveau für jung und alt! (HBB)

… über Justus Krux‘ „Kommste noch auf ’nen Kaffee mit hoch“ (19.10.2020 Pfeffermühle)

Justus Krux stellt sich als Jurist vor und uns amüsante Fälle aberwitziger Rechtsprechung hierzulande, entwirft uns seinen Blick auf das aktuelle Zeitgeschehen, betrachtet Personenkreise wie Informatiker, Exfrauen und Richter und erzählt hierzu seine Interaktionen, sehr charmant und witzig. Wir hören das Leben als ewige Vertragssituation, schon beim Brötchenkauf, die Anwendung von Paragraphen auf Menschen, die nicht nur möglich, sondern auch erstaunlich zutreffend sein kann, sowie Tipps zur Straffreiheit und Flucht – anhaltendes Schmunzeln garantiert.

Am besten gefallen haben mir Krux´ „Sprachperlen“. Einerseits im antiquierten Juristendeutsch des BGB, welches seit 1900 gilt, begründet, andererseits durch Aufmerksamkeit gegenüber Widersprüchen und Gegenteilen innerhalb Begriffen und Redewendungen deutscher Sprache aufgedeckt, serviert uns Krux´ einige sprachliche Leckerbissen, die das gesamte Publikum in große Erheiterung versetzte. Krux agiert nicht als schräger Innovationskünstler, sondern unterhält solide und sachlich durch Wortwitz und intelligent-juristischen Blick auf die Welt. Man bleibt während des zweistündigen Programms aufmerksam bei ihm, seine Einladungen zum Lachen gelingen. (AK)

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Lachen, bis der Lockdown (hoffentlich nicht) kommt

Leipziger Lachmesse eröffnet

Die 30. Leipziger Lachmesse ist offiziell eröffnet! Am heutigen Sonntagabend (18.10.) fegte Carmela de Feo durch den academixer-Keller und nahm den 2019er Löwenzahn, den Preis der Leipziger Lachmesse, aus den Händen von Laudator Matthias Reuter und Mitgastgeberin Anke Geißler entgegen. De Feo überzeugte bei der Gelegenheit wie schon im Vorjahr mit Haarnetz, Akkordeon und Selbstironie, mit Schlagfertigkeit, Witz und Gesang. Und während ihr der Laudator klavierspielend eine Hymne widmete, tanzte sie auch noch Ballett.

Ab sofort geht es nun um den 2020er Löwenzahn, die Jury schwärmt aus. Gut 110 Aktive stehen bis nächsten Sonntag in circa 70 Veranstaltungen auf verschiedenen Leipziger Bühnen. Sie und ihr Publikum hoffen in diesem Jahr ganz inständig und besonders, dass Lachen wirklich gesund und der Spruch nicht bloße Behauptung ist.

Nieslbrieme und Legenden

Bereits am heutigen Vormittag hatten sich Tom Pauls & Freunde über die Sächsischen Worte des Jahres 2020 ausgelassen (u.a. Nieslbriem für einen unbeholfenen und/oder mürrischen Menschen und Schnudndeggl für die Mund-Nasen-Maske). Und um 15 Uhr trafen sich in der Pfeffermühle die Kabarettlegenden Manon Straché, Burkhard Damrau und Thomas Freitag zum herzerwärmend-amüsanten Gespräch mit Meigl Hoffmann.

Orte des Geschehens waren, sind und werden sein die fünf Kabarettbühnen der Stadt: academixer-Keller, Central Kabarett, Funzel, Pfeffermühle und Sanftwut. Hinzu kommen die vier ebenfalls zentral gelegenen Spielstätten Moritzbastei, Haus Leipzig, Kupfersaal und Krystallpalast Varieté. Fünf + vier also, beinahe fünf + fünf, denn das Schauspielhaus wäre ebenfalls dabei gewesen, allerdings wurde die „Ur-Krostitzer Lachmesse-Gala“ auf 2021 verschoben.

Ensembles und Neuentdeckungen

Die Leipziger Ensembles führen ihre Neuheiten auf und haben ähnlich gestrickte Formationen wie die Frankfurter Oderhähne oder die Magdeburger Zwickmühle mit deren Neuheiten zu Gast. Genretypisch sind jedoch die Einzelkünstler und Soloselbständigen stärker vertreten, Lisa Eckhart, Lisa Fitz und Gisela Oechelhaeusser zum Beispiel oder Matthias Deutschmann, Wladimir Kaminer und Tobias Mann.

Neuentdeckungen und Außenseitererfolge wiederum machen Formate wie der „Kupferpfennig“-Wettstreit, „Slam vs. Kabarett“ und „Jugend forsch“ möglich. Als Geheimtipp mit der grenzüberschreitendsten Anreise gelten BlöZinger aus Wien.

„Maske off bis zum Platz“

Die Hoffnung ist groß, dass in der kommenden Woche allein das Lachen ansteckend wirkt und sich die Ministerpräsidenten mitsamt der Kanzlerin nicht allzu schnell auf einen zweiten Lockdown einigen müssen. Lassen Sie uns optimistisch bleiben und in Anlehnung an die alte Weisheit „Mütze ab im Schulhaus“ die neue Weisheit „Maske off bis zum Platz“ praktizieren. Off ist dabei nicht englisch gemeint, sondern sächsisch, Ihr Nieslbrieme!

Zuguterletzt dankt die Lachmesse all ihren Förderern und Sponsoren sowie allen Beteiligten und Besuchern herzlich für die systemrelevante Unterstützung!

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Pfeffermühle
Foto: Bert Hähne

Legenden in der Pfeffermühle

Die Publikumsjury schaut hin

Schon vor der offiziellen Eröffnung der Lachmesse, am Sonntagnachmittag (18.10.), saßen in der Pfeffermühle Legenden auf dem Sofa. Gastgeber Meigl Hoffmann talkte nacheinander mit Burkhard Damrau, Manon Straché und Thomas Freitag (der der Lachmesse seit 1992 die Treue hält!). Das Publikum hörte gerne zu, wie Damrau, an der Ostsee aufgewachsen, von seiner Beobachtung der jeweils siebenten Welle erzählte und davon, dass er diesbezüglich Jahre später durch den Film „Papillon“ Bestätigung erfuhr. Straché begeisterte u.a. mit ihrer Erinnerung an ein Treffen mit Udo Jürgens (im Saal: Münder offen, Tränen gelacht) oder der Meinung ihrer Naunhofer Oma zu Ehemann Nr. 1: „Ist der hässlich …“ Und Freitag gewann die Herzen mit Alt-Politiker-Parodien und seinem Interesse am Osten. Tolle Leute! Tolle Show!

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Lachmesse 2020
Foto: Bert Hähne

Jazz und Witze oder Alles, was komisch ist

Die 30. Leipziger Lachmesse beginnt

Fragt man junge Leute nach ihren Vorstellungen von Kabarett, kann man Antworten wie diese bekommen: „Die spielen Jazz und erzählen Witze.“ Das ist beileibe nicht falsch, wenn auch sehr stark komprimiert. Fragt man die Veranstalter der Leipziger Lachmesse, hört man: „Alles, was komisch ist, alles, was Lachen erzeugt, wollen wir zeigen.“ Das reiche vom Musikkabarett über clowneske Comedy bis hin zur Bauchrednerei. Im Mittelpunkt aber soll Leipzig als Kabarettstadt stehen mit seinen Stärken Ensemblekabarett und politisches Kabarett. Künstlerinnen und Künstler von außerhalb eilen herbei mit ihren aktuellen Programmen.

Die Lachmesse präsentiert Kleinkunst auf ihrem neuesten Stand und ist dabei der gesellige Treffpunkt von Publikum und Bühnenleuten. Hier wird das Alte bewahrt („Legenden“, 18.10. Pfeffermühle) und gleichzeitig Neues herangezogen („Kupferpfennig“, 21.10. Academixer, „Jugend forsch“, 25.10. Sanftwut). Hier sind große Namen zu erleben sowie Überraschungen und Entdeckungen zu machen. Hier wird mit Vielfalt überzeugt und der Charme der kleinen Bühne gefeiert. Verbindend ist das Lachen. Nebenbei stärken die acht Tage im Oktober das Zusammengehörigkeitsgefühl der Leipziger Kabaretthäuser. Academixer, Central Kabarett, Funzel, Pfeffermühle und Sanftwut – sie alle zusammen sind die Gastgeber der Lachmesse. In diesem eigenartigen Corona-Jahr läuft das Ereignis übrigens zum 30. Male – ab 18. Oktober. Es gibt eine Straße des 18. Oktober in der Stadt, vielleicht auch irgendwann eine Straße der Lachmesse.

Und gleich noch etwas mit Zahlen: Vor hundert Jahren begannen die Goldenen Zwanziger, eine hohe Zeit der Kleinkunst. An die knüpft die Lachmesse ab sofort an, diesmal ganz konkret mit Desiree Nick und deren Abend über Blandine Ebinger, die übrigens die Muse von Friedrich Hollaender (u.a. „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“) gewesen ist. Offiziell eröffnet wird die Lachmesse am 18. Oktober um 19 Uhr mit der Verleihung des Leipziger Löwenzahns an Carmela de Feo im Keller der Academixer. Den Schlusspunkt setzt Lisa Eckhart am 25. Oktober, ebenfalls um 19 Uhr, im Haus Leipzig mit ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“.

Weitere Höhepunkte und Einzelheiten, Termine und Informationen finden Sie unter www.lachmesse.de

Foto: Olli Haas